Private Unternehmen dürfen widerrechtlich geparkte Autos abschleppen und müssen erst nach Zahlung der Kosten verraten, wo der Wagen steht. Das hat der Bundesgerichtshof in Sachen „Parkräume KG“ entschieden. Betroffene müssen aber nicht jeden geforderten Betrag zahlen. test.de erklärt, wie Sie sich gegen Abschlepp-Wucher wehren.
[Update 20.09.2013]: Der Bundesgerichtshof muss sich erneut mit der Parkräume KG befassen und klären, wie viel Geld das Unternehmen kassieren darf. Details am Ende der Meldung.
Auto erst bei Zahlung
Stolze 219,50 Euro sollte eine Frau aus Berlin an die „Parkräume KG“ zahlen. In bar und sofort. Sie hatte ihren Hyundai im Januar 2010 verbotenerweise auf dem Parkplatz des „Kaisers“-Supermarkt an der Winsstraße in Berlin-Prenzlauer Berg abgestellt ohne dort einzukaufen. Als sie rund drei Stunden später wiederkam, war der Wagen weg – so wie Schilder es Falsch- und Dauerparkern dort androhen. Wo der Wagen stehe, werde die Frau erfahren, wenn sie gezahlt hat, erklärte eine Vertreter des Dienstleistungsunternehmen. Die Frau weigerte sich. Das Abschleppen koste allenfalls 90 Euro, argumentierte sie. Der von der Parkräume KG geforderte Betrag sei bei weitem übertrieben. Sie beauftragte Anwälte und zog vor Gericht.
Rückgabe nach acht Monaten
Während des Gerichtsverfahrens zahlte sie die verlangten 219,50 Euro dann doch noch. Im August 2010 – acht Monate nach dem Abschleppen – erfuhr sie schließlich, wo der Wagen steht. Zu allem Überfluss wiesen sowohl das Berliner Landgericht als auch das Kammergericht ihre Klage auf Zahlung von Nutzungsausfall ab. Jetzt scheiterte sie auch vor dem Bundesgerichtshof. Der vom Supermarkt-Inhaber beauftragten „Parkräume KG“ stand ein Zurückbehaltungsrecht zu, urteilten die Richter in letzter Instanz – und zwar auch dann, wenn das Unternehmen mehr verlangt als ihm zusteht.
Keine Zahlung für Überwachung
Allerdings: Für die Überwachung von Parkplätzen darf das Unternehmen nichts verlangen. Die Kosten dafür umfasst der Schadensersatzanspruch des Grundstücksbesitzers nicht. Nur für das Abschleppen und die Vorbereitung müssen Falschparker zahlen, stellten die Bundesrichter klar. Die vollen 219,50 Euro durfte die „Parkräume KG“ damit nicht kassieren. Wie viel Geld dem Unternehmen genau zustand, blieb offen. Um ihren Wagen zurückzubekommen, hätte die Frau zumindest den von ihr für angemessen gehaltenen Betrag an die „Parkräume KG“ zahlen oder ihn beim Amtsgericht hinterlegen müssen, erklärten die BGH-Richter. Unklar ist, ob die „Parkräume KG“ ihre Forderungen nach Abschleppen von Falschparkern mit Rücksicht auf das Urteil gesenkt hat. Eine Anfrage von test.de beantwortete das Unternehmen bislang nicht. Allerdings hat das Unternehmen seine Preise nicht gesenkt. Im Gegenteil: In Berlin stiegen die Forderungen auf mindestens 250 Euro. Klar ist nach dem Urteil jedenfalls: Soweit das Unternehmen seinen Service für Grundstücksbesitzer kostenlos anbietet und sich allein aus den Zahlungen der Falschparker finanziert, ist das Geschäftsmodell nicht mehr haltbar.
Hunderte von Fällen
Der Ärger über die teuren Rechnungen der „Parkräume KG“ füllt zahlreiche Foren und Blogs. Das Unternehmen ist nach eigener Darstellung für bundesweit gut 3.000 Grundstücke zuständig. Gegen Unternehmensgründer Joachim K. Gehrke und einen seiner Außendienstmitarbeiter ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Nötigung und Erpressung. Das Landgericht Augsburg hat Gehrke bereits im Dezember 2009 zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen à 70, insgesamt also 17.500 Euro Geldstrafe verurteilt, doch er hat Revision eingelegt. Das Oberlandesgericht München hat die Verurteilung aufgehoben und die Sache zurück an das Landgericht Augsburg verwiesen. Eine Entscheidung steht noch aus. Vor Zivilgerichten häufen sich die Streitigkeiten. Eine klare Linie gibt es bisher nicht. Einen Teil der Verfahren gewinnen Falschparker, oft setzt sich aber auch das Unternehmen durch.
Rechnungen auf dem Prüfstand
Der Bundesgerichtshof zwingt die Instanzgerichte jetzt, die Höhe der „Parkräume KG“-Rechnungen genau zu prüfen. Rechtsanwalt Dirk Gründler aus München glaubt, dass ein großer Teil der Rechnungen auf die Überwachung entfalle. Das so genannte „Umsetzen“ von Autos selbst koste meist rund 60 Euro. Als Vorbereitung dürfte ausreichen, am falsch geparkten Auto nach einer Handy-Nummer oder sonstigen Nachricht zu schauen und dem Fahrer des Abschleppwagens Autotyp, Farbe und Kennzeichen durchzugeben.
Tipps für Betroffene
Nach dem Bundesgerichtshofs-Urteil vom 02.12.201 – Aktenzeichen V ZR 30/11 ebenfalls klar: Betroffene können trotz des Zurückbehaltungsrechts oft ohne zu zahlen schnell erfahren, wo ihr Wagen steht.
Grundsatz-Entscheidung zum Abschleppen auf Privatparkplätzen: Urteil vom 05.06.2009 – Aktenzeichen: V ZR 144/08
Immer mehr Gerichte entscheiden
[Update 14.09.2012]: Das Abschleppen und Verstecken des Autos ist zwar zulässig, aber Betroffene müssen nur die Kosten fürs Abschleppen und die unmittelbare Vorbereitung bezahlen. Das sind je nach Region und Umständen Beträge um 100 Euro. Rechtsanwalt Dirk Gründler teilt mit: Jüngst hat sogar das Landgericht Frankfurt am Main gegen die Parkräume KG entschieden und die Rechnung von 215 auf 125 Euro gekürzt, obwohl die zuständige Richterin zunächst anderer Auffassung war (Urteil vom 5.9.2012, Az. 2–15 S 96/11). Wenn die Überwachung des Parkplatzes für den Grundstücksbesitzer kostenlos sei, entfalle ein Teil der Kosten notwendigerweise auf die Überwachung und dafür müssten Falschparker nicht zahlen, begründete die Richterin ihr Urteil. Wichtig: Wer zunächst den gesamten Betrag unter Vorbehalt zahlt, um seinen Wagen sofort zurückzubekommen, kann überhöhte Beträge zwar nicht vom Abschleppunternehmen, aber vom Grundstücksbesitzer zurückfordern.
[Update 10.01.2013]: Das Amtsgericht Cham hat entschieden: Ausreichend ist es, einen Betrag von 130 Euro zu hinterlegen. Der Abschleppunternehmer muss dann den Standort nennen. Mehr Geld steht ihm nach Ansicht des Richters in Cham nicht zu. Rechtsanwalt Gründler hatte den Halter des abgeschleppten Wagens gegen die Klage der Parkräume KG verteidigt. Amtsgericht Cham – Urteil vom 04.01.2013 – Aktenzeichen: 6 C 566/12
[Update 25.01.2013] Rechtsanwalt Dirk Gründler berichtet: Das Amtsgericht München hat Kaiser’s Tengelmann dazu verurteilt, 342,27 Euro an eine Autofahrerin zu zahlen. Genau diesen Betrag hatte die Frau an die Parkräume KG gezahlt. Die hatten ihren Wagen abschleppen lassen. Zu Unrecht allerdings: Der Parkplatz war nicht eindeutig gekennzeichnet; er hätte auch zum Fitnessstudio gehören können, das die Frau besuchte. Amtsgericht München, Urteil vom 17.01.2013, Aktenzeichen: 433 C 25250/12
[Update 28.01.2013] Noch ein Fall aus der Kanzlei von Rechtsanwalt Dirk Gründler: Erst nach Klageerhebung hat die Städtische Kliniken München GmbH den Anspruch einer schwer gehbehinderten Frau anerkannt, ihr die Kosten fürs Abschleppen zu erstatten. Die Frau musste ins Klinikum Bogenhausen. Weil die Behindertenparkplätze besetzt waren, stellte sie ihren Wagen auf einem normalen Parkplatz ab. Sie blieb länger als die dort erlaubten 30 Minuten und die Parkräume KG ließ den Wagen abschleppen – obwohl die Sonderparkgenehmigung für Schwerbehinderte sichtbar im Auto lag. Kosten laut Parkräume KG: 297,50 Euro. Die Frau musste mit Taxi zur Bank fahren und Geld holen, um den Wagen auszulösen. Als die Frau ihr Geld später zurückforderte, reagierte die Klinik nicht. Erst nach Klageerhebung meldete sich der Rechtsanwalt des Unternehmens und erkannte den Anspruch an. Daraufhin erließ das Amtsgericht München ein sogenanntes Anerkenntnisurteil. Amtsgericht München, Urteil vom 21.01.2013 Aktenzeichen: 425 C 31805/12
[Update 21.02.2013] Das erste Strafverfahren gegen Parkräume-Chef Gehrke ist noch immer nicht abgeschlossen. Das Oberlandesgericht München hat die Verurteilung zu 17.500 Euro Geldstrafe wegen Nötigung aufgehoben. Das Landgericht Augsburg muss den Fall jetzt neu aufrollen. Unterdessen will die Staatsanwaltschaft München I offenbar erneut Anklage gegen Gehrke und einen Mitarbeiter erheben. Das wollte die Staatsanwaltschaft aber noch nicht bestätigen. Nach den Richtlinien im Straf- und Bußgeldverfahren darf die Öffentlichkeit über die Anklageerhebung und Einzelheiten der Anklage erst unterrichtet werden, nachdem die Anklageschrift dem Beschuldigten zugestellt worden ist.
[Update 16.05.2013] Jetzt ist es amtlich: Gehrke und einer seiner Mitarbeiter stehen wegen Erpressung in besonders schweren Fällen und Körperverletzung unter Anklage. Es geht um noch rund 17 abgeschleppte Autos, nachdem die Staatsanwaltschaft zunächst wegen rund 70 Fällen ermittelt hatte. Die Staatsanwaltschaft rechnet mit einer Verurteilung zu mehr als vier Jahren Haft. Jetzt ist die Strafkammer beim Landgericht München I am Zug. Sie muss entscheiden, ob sie die Anklage zulässt und das Hauptverfahren eröffnet.
[Update 24.05.2013] Das Ordnungsamt Neukölln überprüft die Parkräume KG im Rahmen ihrer Gewerbeaufsicht. Das Unternehmen hat seinen Sitz im Zuständigkeitsbereich der Behörde. Die Beamten können dem Unternehmen die Ausübung des Gewerbes ganz oder teilweise untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dokumentieren.
[Update 25.07.2013] REWE muss einem von der Parkräume KG auf einem Parkplatz des Unternehmens abgeschleppten Falschparker Zahlungen an die Parkräume KG erstatten, soweit sie 120 Euro übersteigen. Das teilt Rechtsanwalt Dirk Gründler mit und erklärt die Einzelheiten. Er hat einen Musterbrief entwickelt, mit dem Betroffene von REWE in München oder nach Austausch der Daten auch anderen Unternehmen den überzogenen Teil von Parkräume-Rechnungen zurückverlangen können. Da der Parkräume KG-Service für Grundstücksbesitzer kostenlos sei, stehe fest, dass ein Teil der Rechnungen auch auf die Überwachung der Parkplätze entfalle. Für die müsse der Grundstücksbesitzer jedoch selbst aufkommen, begründete Richter am Amtsgericht Schuldes sein Urteil und verwies auf die BGH-Urteile zum Thema. Amtsgericht München – Urteil vom 17.07.2013 – Aktenzeichen: 452 C 25254/12
[Update 29.07.2013] Auch das Klinikum Bogenhausen muss einem durch die Parkräume KG vom Besucherparkplatz abgeschleppten Falschparker Zahlungen an die Parkräume KG erstatten, soweit sie 120 Euro übersteigen. Das teilt Rechtsanwalt Dirk Gründler mit und erklärt die Einzelheiten. Er hat einen Musterbrief entwickelt, mit dem Betroffene den überzogenen Teil von Parkräume-Rechnungen vom Klinikum zurückverlangen können. Amtsgericht München, Urteil vom 05.07.2013, Aktenzeichen: 452 C 25253/12
[Update 30.07.2013] Inzwischen hat das Klinikum test.de gegenüber Stellung genommen. Ein Sprecher, der nicht namentlich genannt werden möchte, erklärt per E-Mail: Das Urteil sei ganz offensichtlich falsch. Wegen des geringen Streitwerts ist keine Berufung zulässig, die Parkräume KG habe jedoch Gehörsrüge erhoben. Das Unternehmen gehe davon aus, den Rechtsstreit doch noch zu gewinnen. Außerdem hätten das Klinikum und die Parkräume KG den Rahmenvertrag inzwischen angepasst. Weiter heißt es wörtlich: „Insofern dürfte die pauschale Behauptung des Herrn Rechtsanwalts Gründler, nunmehr seit 2010 alle über EUR 120,00 hinausgehenden Abschleppkosten erfolgreich zurückverlangen zu können, mit Vorsicht zu genießen sein. Berechtigten Ansprüchen wird die StKM (Städtische Kliniken München) selbstverständlich jederzeit nachkommen. Ob die Ansprüche berechtigt sind, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.“ Das Klinikum sehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anlass, die Zusammenarbeit mit der Parkräume KG zu beenden.
[Update 20.09.2013] Das Landgericht München hat auf die Klage eines Autofahrers hin entschieden: Der Parkräume KG stehen fürs Abschleppen eines Falschparkers vom Parkplatz eines Fitnessstudios 175 Euro zu. Das Amtsgericht hatte zuvor nur 100 Euro für angemessen gehalten. Jetzt haben sowohl die Parkräume KG als auch der Autofahrer Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Die Richter dort werden wohl im Sommer 2014 entscheiden. Außerdem Thema im Rechtsstreit: Wie viel Geld müssen Autofahrer bei Gericht hinterlegen, damit die Parkräume KG sagen muss, wo sie den Wagen abgestellt hat? Rechtsanwalt Dirk Gründler berichtet ausführlich. Amtsgericht München, Urteil vom 23.08.2011, Aktenzeichen: 415 C 29187/10, Landgericht München I, Urteil vom 14.08.2013 Aktenzeichen: 15 S 19287/11
Aktenzeichen des Revisionsverfahrens beim Bundesgerichtshof: V ZR 229/13
Stand: 06.12.2013
Ein Beitrag / Verbrauchertipp unserer/s Leserin/s Sigmar Könzig aus Meyenburg in Niedersachsen.
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