Das Jobcenter Leipzig muss die Telefonliste mit den Durchwahlen der Sachbearbeiter herausgeben. Dazu hat das Verwaltungsgericht Leipzig die Behörde gestern verurteilt. Grundlage ist das Informationsfreiheitsgesetz. Das gilt für alle Bundesbehörden und damit für fast alle Arbeitsagenturen und Jobcenter.
Jedermann hat Informationsanspruch
Das Informationsfreiheitsgesetz formuliert es deutlich: „Jeder hat (…) gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen“, heißt es in § 1. Zu den amtlichen Informationen gehört auch die Telefonliste mit den Durchwahlen der Mitarbeiter, entschied das Verwaltungsgericht Leipzig. [Update 15.02.2013] Es muss, so das Gericht wörtlich „Ausdruck modernen staatlichen Selbstverständnisses sein, die telefonische Erreichbarkeit in beiden Richtungen unmittelbar sicherzustellen … und das grade in Bereichen wo es um die soziale Existenz gehen kann“. [/Update] Geklagt hatte die Rechtsanwaltskanzlei fsn-recht, die zahlreiche Empfänger von Arbeitslosengeld vertritt. Allerdings: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Anders als zivilrechtliche Urteile ist es auch nicht vorläufig vollstreckbar. Die Telefonliste bleibe erstmal noch unter Verschluss, hieß es beim Jobcenter Leipzig. „Wir warten die schriftliche Urteilsbegründung ab und entscheiden dann, ob wir Rechtsmittel einlegen“, erklärte Behörden-Sprecher Martin Richter.
Jobcenter ist riesige Behörde
Hintergrund für die Klage: Das Jobcenter Leipzig ist eine riesige Behörde. Rund 75.000 Menschen sind in der sächsischen Großstadt auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Wie viele andere Hartz IV-Behörden auch schottet sich das Jobcenter aber ab. In der Regel gibt es keinen direkten Kontakt zum Sachbearbeiter – weder beim Besuch der Behörde noch telefonisch.
Verhinderung schneller Hilfe
Sogar Rechtsanwälte der Betroffenen müssen den mühsamen Weg über eine zentrale Rufnummer nehmen. „In unserer täglichen Arbeit sehen wir täglich, wie Hilfebedürftige durch Fehler des Jobcenters in existenzielle Notsituationen geraten. Eine dann notwendige schnelle Hilfe wird durch die derzeitige Abfertigung der Betroffenen in einem Callcenter systematisch verhindert“, beklagt Rechtsanwalt Dirk Feiertag, der für fsn-recht vor dem Verwaltungsgericht Klage erhob.
Gerichtspräsidentin kritisiert Jobcenter
Die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin, Sabine Schudoma, bestätigt den Rechtsanwalt indirekt. Vier von fünf Hartz IV-Verfahren erledige das größte deutsche Sozialgericht ohne Urteil. Die Einschaltung der Justiz hätte in diesen Fällen vermieden werden können, wenn die Parteien vorher miteinander geredet hätten, sagte die Gerichtspräsidentin dem Tagesspiegel bei der Vorstellung der Jahresbilanz des Gerichts. Auch in Berlin erreichen Arbeitslosengeld II-Empfänger den für sie zuständigen Sachbearbeiter allenfalls auf Umwegen.
Behörden in der Pflicht
Wer Ärger mit Jobcenter, Arbeitsagentur oder einer anderen Behörde hat, sollte versuchen, die Durchwahl des zuständigen Mitarbeiters zu bekommen und mit ihm ins Gespräch zu kommen. Oft lassen sich so Missverständnisse ausräumen und Fehler vermeiden. Das Informationsfreiheitsgesetz gilt für alle Bundesbehörden und damit für alle Hartz IV-Behörden. Ausnahme sind nur die allein von der Kommune getragenen Behörden für Arbeitslosengeld II. Für die gelten allerdings die Informationsfreiheitsgesetze der Länder. Die enthalten zum Teil Einschränkungen, geben oft aber auch einen Anspruch auf Herausgabe dienstlicher Informationen.
Verwaltungsgericht Leipzig, Urteil vom 10.01.2013
Aktenzeichen: 5 K 981/11 (nicht rechtskräftig)
[Update 11.02.2013] Telefonlisten von einer ganzen Reihe Jobcenter hat Hartz IV-Aktivist Harald Thomé veröffentlicht. Hier: www.harald-thome.de/jobcenter-telefonlisten.html.
[Update 15.02.2013] Inzwischen liegt die Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts Leipzig vor.
[Update 21.03.2013] Das Jobcenter hat inzwischen beim Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung beantragt.
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