Die Top-3-Fragen
Moderator: Vor dem Chat hatten die Leser und Leserinnen bereits die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu bewerten.
Hier die TOP-1-Frage aus dem Pre-Chat:
Flutz: Welcher deutsche Cloud-Anbieter hat seine Daten-Server auch ausschließlich in Deutschland stehen und ist somit nach deutschem Recht aufgestellt?
Dr. Gunnar Schwan: Aus unserem Testfeld im Test von Online-Speicherdiensten dürfte es nur die Telekom sein. Zentral ist jedoch nicht nur Deutschland, sondern der europäische Wirtschaftsraum (EWR).
Christian Schlüter: Es ist nicht leicht herauszufinden, wo die Anbieter ihre Server stehen haben. Das war für uns sehr schwer herauszufinden, wir mussten uns da auf die Transparenz der Anbieter verlassen.
Moderator: … und hier die Top 2-Frage:
Benni: Sind heutige Verschlüsselungstechniken wirklich so sicher, dass sie auf lange Sicht nicht von Regierungen geknackt werden können?
Christian Schlüter: Welche „Power“ die Geheimdienste derzeit haben, können wir nur schwer einschätzen. Nutzer, die ihre Daten verschlüsseln, sollten wissen, dass zum Beispiel der amerikanische Geheimdienst NSA diese Daten so lange aufbewahren darf, bis er in der Lage ist, diese Daten zu entschlüsseln.
Dr. Gunnar Schwan: Es ist eine Frage der Zeit, vergleichbar mit dem Knacken eines Fahrradschlosses: Im Moment dauert es Jahre oder Jahrzehnte, die Daten zu entschlüsseln, zukünftige Computer sollten es schneller schaffen.
Moderator: … und die Top 3-Frage:
mgredler: Viele Unternehmen speichern Kundendaten. Kürzlich habe ich einen Sporthändler gefragt, wo meine Kundendaten gespeichert werden. Stolz erwiderte er: „In der Cloud“. Meine Frage nach dem Wo konnte er gar nicht beantworten. Er nutze ein modernes Warenwirtschaftssystem, wisse aber nicht, wo die Daten (laut Verkäufer natürlich „sicher“) gespeichert sind. Was kann der Konsument gegen diesen Wahnsinn unternehmen? Bricht der Händler nicht die Gesetze?
Dr. Gunnar Schwan: Das ist grob fahrlässig. Der Sporthändler sollte darüber Bescheid wissen, schließlich ist er dafür verantwortlich. Und wenn er die Daten nicht selber speichert, muss er darüber informiert sein, wer die Daten verwaltet und wie er sie verarbeitet.
Christian Schlüter: Nutzer haben immer das Recht, von Unternehmen ein sogenanntes Verfahrensverzeichnis anzufordern. Darin müssen Unternehmen unter anderem regeln, wie sie mit Nutzerdaten umgehen. Wir haben das auch in unserem Test der Online-Speicherdienste abgefragt. Nicht jedes Unternehmen war hier transparent und hat uns das Verfahrensverzeichnis vorgelegt.
Gibt es ein Recht auf Einsichtnahme?
Flori: Wer garantiert die „wirkliche“ Löschung also unwiderrufliche Vernichtung meiner Daten bei einer Kontolöschung? Gibt es ein Recht auf Einsicht, ob alle meine Daten auch wirklich entfernt wurden?
Dr. Gunnar Schwan: Garantieren kann man das nicht. Man muss dem Anbieter vertrauen. Im Test haben wir versucht, uns mit gelöschten Accounts wieder anzumelden – aber eine umfassende Prüfung ist das natürlich nicht.
Christian Schlüter: Oftmals löschen die Anbieter die Daten nicht sofort. Zum einen stellen sie die vom Nutzer freigegebenen Daten weiterhin anderen Nutzern zur Verfügung. Zum anderen wollen sie eventuellen Wiedereinsteigern das Hochladen der gleichen Daten vereinfachen.
Dr. Gunnar Schwan: Die erste Variante kann nicht verhindert werden und ist legitim. Die zweite ist klar gegen den Nutzer gerichtet. Manchmal ist der Anbieter per Gesetz gezwungen, Daten zu speichern. Zum Beispiel bei kostenpflichtigen Diensten aus Abrechnungsgründen.
Flori: Gibt es eine Art „Wechselrecht“ d.h. kann ich die unwiderrufliche Löschung bzw. vorheriges Transferieren der Daten vom amerikanischen Anbieter zu einem deutschen mit dem Hinweis auf deutsches (Daten-) Recht veranlassen und muss diese (kostenfrei) durchgeführt werden?!
Christian Schlüter: Ein Wechselrecht gibt es nicht. Oftmals ist ein Wechsel auch wenig praktikabel, weil es an klaren Standards und Schnittstellen zur Datenübertragungen zwischen den verschiedenen Anbietern fehlt.
Dr. Gunnar Schwan: Praktisch hieße das, die Daten herunterzuladen, beim amerikanischen Anbieter zu kündigen, sich beim deutschen Anbieter zu registrieren und die Daten dort hochzuladen. Bei größeren Datenmengen ist das sehr zeitaufwändig.
Eine eigene Wolke
Moderator: Hier eine aktuelle Frage:
Sauer: Ist es sicherer sich eine eigene Wolke anzulegen? NAS-Server sind ja sehr preiswert zu bekommen. Oder mit Medienserver, wie zum Beispiel Cocktail Audio X10, belastet man zuhause gar nicht mal seine Internetleitung.
Christian Schlüter: Eine private Cloud für zuhause ist auf jeden Fall aus Datenschutzsicht eine Alternative, denn hier bin ich als Nutzer ganz allein und selbst für die Daten verantwortlich. Besonders, wenn dabei Open Source Software verwendet wird, ist klar einsehbar, ob es eventuell Hintertüren gibt. Die private Cloud hat aber auch Nachteile: Zum einen sind die Anschaffungspreise im Vergleich zu kostenlosen Clouddiensten oft noch sehr hoch. Außerdem müssen Nutzer selber eine gewisse Technikaffinität haben, um sie einzurichten. Nicht zuletzt könnte ein privater Netzwerkspeicher zum Beispiel geklaut oder bei Brand- und Wasserschäden vernichtet oder stark beschädigt werden.
Moderator: … und noch eine aktuelle Frage:
Daniel: Wie sieht es denn mit Kontakt-, Termin- und E-Mail-Daten aus, die ich wie viele andere zwischen Handy und PC synchronisiere? Microsoft zum Beispiel nutzt dafür ja auch den Cloud-Dienst Outlook.com. Wie lassen sich solche Daten verschlüsseln?
Dr. Gunnar Schwan: Entweder nutze ich diese Dienste wie z. B. Terminkalender, dann sind die Daten unverschlüsselt, oder ich lade einen verschlüsselten Kalender in die Cloud, dann kann ich aber mit ihm dort nicht arbeiten – die Funktionalität ist weg.
Daten verschlüsseln
Timo: Daten in Dropbox und Co. kann ich verschlüsseln (z.B Ture Crypt). Das funktioniert auch für mein Smartphone gut. Meine E-Mail (mit viel Arbeit) auch, aber wie kann ich dann auf mein E-Mail Postfach online zugreifen (z.B. gmail oder web.de) und wie stelle ich sicher, dass ich auch über mein Smartphone die E-Mail verschlüsselt senden und empfangen kann?
Dr. Gunnar Schwan: Es gibt zwei Arten von Verschlüsselung: für den Transport der Daten und f
ür die Speicherung der Daten auf dem Server.
Christian Schlüter: Der Transportweg sollte in der Regel automatisch verschlüsselt sein (z. B. über das https-Protokoll). Auf dem Server sind die Daten auch verschlüsselt, allerdings besitzt der Anbieter den Schlüssel und kann die Daten so einsehen. Wer sich davor schützen will, verschlüsselt vor dem Upload mit TrueCrypt, Boxcryptor oder Cloudfogger. Bei den Emails sieht es etwas anders aus: Ein weit verbreiteter Verschlüsselungsstandard ist hier PGP, die Abkürzung steht für Pretty Good Privacy. Um diese Verschlüsselung zu nutzen, benötigen Nutzer eine entsprechende E-Mail-Software auf dem Computer oder dem Smartphone.
Dr. Gunnar Schwan: Wenn die E-Mails verschlüsselt werden, müssen sich auch die Empfänger mit der Entschlüsselung beschäftigen und entsprechende Software benutzen.
Neururer 4 President: Ein Kollege erzählte mir, dass er es so eingerichtet hat, dass seine Backups automatisch und verschlüsselt hochgeladen werden. Dabei würden nur die geänderten Daten hochgeladen, nicht jedes Mal das Gesamtpaket. Wie geht das und wie sicher sind solche Verschlüsselungen?
Christian Schlüter: Wahrscheinlich hat der Kollege eine Backup-Software im Einsatz. Hier können Nutzer automatisierte Datensicherungen einstellen und je nach Software nicht nur auf externen Datenträgern sichern, sondern auch in der Cloud.
Dr. Gunnar Schwan: Ob die Daten sicher übertragen und gespeichert werden, können wir leider nicht beurteilen, weil wir die eingesetzte Lösung nicht kennen.
Cloud-Dienst oder Intranet-Server?
L. Descher: Sehr geehrter Herr Schlüter, sehr geehrter Herr Dr. Schwan, was ist sicherer: Ein guter Cloud-Dienst oder ein Intranet-Server, der mit den üblichen Login/Passwort-Mechanismus geschützt ist?
Dr. Gunnar Schwan: Zum Schutz vor fremdem Zugriff auf die Daten ist wahrscheinlich das Intranet die bessere Lösung. Die Sicherheit steht und fällt aber mit der Passwort-Politik und dem Einsatz von Sicherungsmethoden, die zum Beispiel Brute-Force-Angriffe, also massenhaftes Ausprobieren von Passwörtern, abwehren.
Moderator: … und noch eine aktuelle Frage:
Macki: Verbindungen zur Cloud laufen oft über eine https-Verbindung. Die Daten werden dann nicht im Klartext übertragen, sondern sind verschlüsselt. Kann ein externer Angreifer den Weg dieser Daten nachvollziehen beziehungsweise die Verschlüsselung in angemessener Zeit „knacken“?
Christian Schlüter: Die https-Verschlüsselung gilt als relativ sicher, aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Wichtig ist aber nicht nur, ob die Übertragung mit https verschlüsselt ist, sondern auch ob die Daten verschlüsselt beim Anbieter lagen.
Dr. Gunnar Schwan: In unserem Test von Online-Speicherdiensten fiel Microsoft SkyDrive negativ mit seiner App für iPhone und Co. auf. Dort wurden die Daten unverschlüsselt übertragen.
Backup im Bankschließfach
Klausklaus: 99 Prozent meiner Daten sind weder geheim noch wichtig. Interessant wird es bei dem restlichen einen Prozent: Gehaltsabrechnungen, Fotos von der Geliebten, Depotauszüge, Gerichtsunterlagen, eine Exceltabelle mit Passwörtern bei 150 verschiedenen Onlineshops. Gerade solche Daten will ich einerseits besonders sichern für den Fall dass mein Haus samt PC und externer Sicherungsfestplatten abbrennt. Andererseits würde ich genau diese Dateien niemals in die Cloud schieben. Wie würden Sie dieses Dilemma lösen?
Christian Schlüter: Wenn es um die reine Datensicherung geht und die Daten nicht tagtäglich verfügbar sein müssen, sollten Sie die Sicherung z. B. auf einer externen Festplatte speichern und diese außer Haus, z. B. bei Freunden und Bekannten oder aber in einem Bankschließfach lagern.
Dr. Gunnar Schwan: Bei Daten, die ständig verfügbar sein müssen, fertigt man ein zweites Backup auf einer separaten Festplatte an und bringt diese von Zeit zu Zeit zu den oben genannten Freunden oder Bekannten bzw. ins Schließfach.
ok: Ich hatte bei einem sehr große amerikanischen Anbieter Dokumente in der Cloud. Trotz Löschung wurden diese mehrmals wiederhergestellt und waren nicht dauerhaft löschbar. Erst nach zehn Versuchen war ein nachhaltiges Löschen zu erkennen. Müssen Daten dann auch endgültig gelöscht sein? Auch aus Backups? Dürfen gelöschte Daten automatisch wiederhergestellt oder zweckentfremdet ausgewertet werden? Wie ist die rechtliche Situation in Sachen „Backup & Restore“?
Dr. Gunnar Schwan: Das ist definitiv nicht in Ordnung. Nur der Nutzer entscheidet über seine Daten, nicht der Anbieter.
Christian Schlüter: Leider ist man als Nutzer den Anbietern ausgeliefert und hat keine Kontrollmöglichkeit, ob die Daten tatsächlich gelöscht werden oder nicht. Nutzer sollten sich deswegen schon im Vorfeld Gedanken darüber machen, welche Daten sie überhaupt einem Anbieter anvertrauen möchten und ob es immer die Cloud-Lösung sein muss.
Die test.de-Nutzerdaten sind sicher
Test-Datenschutz: Wieso wird test.de nicht auf deutschen Servern gehostet?
Christian Schlüter: test.de wird auf Servern im europäischen Wirtschaftsraum gehostet. Wir bevorzugen eine Server-Lösung, die es uns ermöglicht, flexibel auf Leistungsspitzen zu reagieren, damit der Zugriff auf test.de jederzeit gesichert ist. Alle redaktionellen Inhalte auf test.de sind öffentlich oder gegen Bezahlung zugänglich und datenschutzrechtlich nicht relevant.
Christian Schlüter: Alle personenbezogenen Daten, z. B. Nutzer-Accounts auf test.de, werden ausschließlich in unserem lokalen Netzwerk gespeichert.
Moderator: Kommen wir zu unserer letzten Frage im heutigen Chat.
Was ist, wenn beim Anbieter der Blitz einschlägt
E. B.: Hallo! Meine Frage ist: Was ist, wenn bei meinem Anbieter der Blitz einschlägt oder die Firma pleite geht? Sind meine Dateien trotzdem sicher?
Christian Schlüter: Wenn der Anbieter pleite geht, bewege ich mich als Nutzer in einer unsicheren Grauzone. In der Regel übernimmt der Insolvenzverwalter alle Geschäfte. Wann und ob die Daten dem Nutzer wieder zur Verfügung stehen, ist in diesem Fall aber unsicher.
Dr. Gunnar Schwan: Ansonsten sind die Daten gegen Unfälle wie Blitzeinschlag in der Regel durch parallele Kopien gesichert.
Moderator: Und hier noch ein kurzes Schlusswort an die User:
Dr. Gunnar Schwan: Wir freuen uns über weitere Fragen und Testideen zum Thema Cloud oder Datenschutz.
Christian Schlüter: Vielen Dank für die vielen interessanten Fragen – und immer gut verschlüsseln!
Moderator: Das waren 60 Minuten test.de-Expertenchat. Vielen Dank an die User für die vielen Fragen, die wir aus Zeitgründen leider nicht alle beantworten konnten. Vielen Dank auch an Christian Schlüter und Dr. Gunnar Schwan, dass sie sich die Zeit für die User genommen haben. Das Transkript dieses Chats können Sie in Kürze auf test.de nachlesen. Das Chat-Team wünscht allen noch einen schönen Tag.
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