Der 26-Stunden-Tag einer Ärztin – Kuriose Rechtsfälle

In der Wahrnehmung der breiten Bevölkerung gelten Ärzte in Deutschland nach wie vor als gut oder gar besser verdienend. Dabei reißen die Beteuerungen der Ärzteschaft nicht ab, die fetten Jahre seien längst vorbei.

Heutzutage müsse ein Arzt bis an die äußersten Grenzen der zeitlichen Belastbarkeit gehen, um sich noch standestypische Attribute leisten zu können, wie den Zweit-Porsche, die Villa mit Pool oder die Verwirklichung des klassischen Lebenstraums akademischer deutscher Spießbürger, nämlich einmal 6 Wochen mit der Harley durch die USA zu düsen, und zwar – na klar – über die ROUTE 66!

Sei es, wie es sei. Jedenfalls kommt es einigen Ärzten bei der Besitzstandwahrung und -mehrung offenbar zugute, dass sie ihre Tätigkeiten gegenüber der Krankenkasse weitgehend ungeprüft abrechnen können. Eine besonders „tüchtige“ Ärztin verlor im Abrechnungseifer wohl jeden Blick für das Machbare. Ihre Abrechnungen ergaben addiert eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von 26 Stunden. Das erschien dem Dortmunder Sozialgericht dann doch ein wenig viel. Es ließ sich auch nicht von der Argumentation der Kassenärztin beeindrucken, dass sie besonders schnell arbeite. Die Menge abgerechneter Stunden versuchte sie nämlich damit zu erklären, dass sie während der Untersuchung der Patienten noch Gespräche abwickle und dann beides nebeneinander abrechne.

Das Gericht lehnte es jedoch ab, die beeindruckende Multitasking-Fähigkeit der Ärztin zu honorieren. Sie wurde verurteilt, Honorare in Höhe von insgesamt ca. 150.000 EUR zurückzuzahlen (SG Dortmund).

Fazit: Auch für weiße Halbgötter auf Harleys hat der Tag nur 24 Stunden.

Hintergrund
Abrechnungsbetrug durch niedergelassene Ärzte verursacht der Allgemeinheit kurioserweise keinen unmittelbaren Schaden. Denn die Krankenkassen überweisen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) pro Quartal eine pauschale Gesamtsumme. Die KVen verteilen diese Pauschalsumme nach einem Punktesystem an die Ärzte. Zu hohe Abrechnungen eines Arztes schädigen also nicht die Kassen, sondern die vielen ehrlich abrechnenden Ärzte. Denn für diese bleibt pro Leistungspunkt weniger Geld im „Topf“ übrig.

Da Ärzte ihre Leistungen selbst erfassen, haben sie gute Chancen, bei Falschabrechnungen nicht erwischt zu werden. Der Patient könnte die Abrechnungen zwar theoretisch kontrollieren, denn auf Wunsch erhält er eine „Leistungs- und Kosteninformation“ (Patientenquittung). In der Praxis werden solche Quittungen jedoch kaum verlangt. Nur über statistische Analysemethoden und Stichproben lassen sich die Abrechnungen überprüfen.

Trotzdem – wer erwischt wird, dem drohen empfindliche Konsequenzen. Eine vorsätzliche Falschabrechnung ist als Betrug strafbar und kann zum Entzug der Zulassung führen.

Bei Interesse siehe hierzu: § 263 Abs. 1 StGB – Betrug

 

Ein Beitrag unserer/s Leserin/s Bruno Fischer aus Renningen in Baden-Württemberg.
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