Autos, Immobilien und Geld – mit etwas Glück gehört all das zur Erbschaft. Häufig unerwartet kommt ein anderes Erbe: der digitale Nachlass. Nach dem Tod laufen Nutzerkonten im Netz und online geschlossene Verträge weiter. Erben müssen die digitale Erbschaft sichten. Finanztest gibt Hinweise, wie Erben dem digitalen Nachlass auf die Spur kommen und ihn am besten bewältigen. Dazu Tipps, wie man digitale Dinge bereits zu Lebzeiten vernünftig regelt.
Digitaler Nachlass gehört zur Erbschaft
Als Ende vergangenen Jahres sein Vater im Alter von 68 Jahren starb, nahm sich Arne Sprung den E-Mail-Verkehr vor. „Da haben keine Geheimnisse auf mich gewartet. Das E-Mail-Konto hatte ich schon vorher gesehen.“ Sprung war aber klar: In den E-Mails hätten für ihn als Erben wichtige Informationen stecken können, zum Beispiel Hinweise auf Konten, auf Versicherungs- und Kreditverträge oder geschäftlicher Schriftverkehr. Der digitale Nachlass gehört zur Erbschaft.
Onlinekonten und Homepages
Drei Viertel der Menschen in Deutschland sind im Internet unterwegs. Neun von zehn Internetnutzern kaufen online ein, mehr als die Hälfte von ihnen hat ein Profil in einem sozialen Netzwerk. Fast jeder Zweite in der Bundesrepublik nutzt Onlinebanking. Unter den über 800 000 Menschen, die in Deutschland jährlich sterben, sind immer mehr Internetnutzer. Sie hinterlassen nicht nur Immobilien und Autos, sondern auch Onlinekonten und Homepages.
Verträge laufen weiter
Zahlreiche Verträge gehen mit dem Tod des Nutzers auf den Erben über: eine laufende Internetauktion, die Bestellung beim Versandhandel oder die beim Onlineportal gebuchte Urlaubsreise. Der Erbe muss den versteigerten Biedermeierschrank auf den Weg bringen, die bestellte Ware bezahlen und die Urlaubsreise stornieren. Die wenigsten Verträge enden automatisch mit dem Tod des Internetnutzers.
Soziale Netzwerke
Auch unentgeltliche Nutzerkonten des Verstorbenen bei sozialen Netzwerken und Versandhändlern bleiben erst einmal bestehen. Pflichten für den Erben entstehen daraus nicht. Er steht aber vor der Frage, was erhalten und was gelöscht werden soll. Viele Angehörige wünschen sich, dass der Tod bemerkbar ist und der Verstorbene im Netz nicht ewig weiterexistiert. Andere möchten im Internet eine Gedenkstätte errichten, damit Freunde gemeinsam trauern können – möglich ist das zum Beispiel beim sozialen Netzwerk Facebook: Die Profilseite kann in einen Gedenkzustand versetzt werden.
Blick in die E-Mails schwierig
Ein Profil bei einem sozialen Netzwerk hatte Sprungs Vater nicht, „nur ein Nutzerkonto bei einem E-Mail-Dienst“. Glück für den Sohn: Er hatte die Zugangsdaten und konnte deshalb leicht auf die E-Mails zugreifen. „Mein Vater hatte einen Zettel mit seinen Passwörtern am Computer hängen.“ Sprung war damit besser dran als viele andere. „Die drängendste Frage, die sich den Erben stellt, ist: Wie komme ich an die E-Mails des Verstorbenen?“, sagt Professor Peter Bräutigam von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr. Jenseits der digitalen Welt lassen sich Geschäftsbeziehungen für Erben normalerweise leicht nachvollziehen: Der Erbe öffnet die Briefe, die den Verstorbenen erreichen. Dazu ist er berechtigt.
Anspruch auf Einsicht unklar
Im Internet sieht das anders aus. Ohne Passwörter und andere Zugangsdaten wie die E-Mail-Adresse ist es schwierig, den digitalen Nachlass zu ordnen. Der Erbe weiß oft nicht, wo der Verstorbene überall online aktiv war. Das ist aber eine wichtige Voraussetzung dafür, um die Pflichten des Verstorbenen, die auf den Erben übergehen, erfüllen zu können. Wenn der Erbe die Passwörter nicht kennt, kann er Nutzerkonten nicht selbstständig einsehen und löschen. Er muss sich an den Anbieter des Dienstes wenden, zum Beispiel an den E-Mail-Dienst. „Nach geltendem Recht ist unklar, ob der Erbe einen Anspruch hat, die E-Mails einzusehen“, sagt Bräutigam. „Anbieter könnten den Zugang unter Hinweis auf das Telekommunikationsgeheimnis verweigern. Denn dadurch ist auch derjenige geschützt, mit dem der mittlerweile Verstorbene kommuniziert hat.“ Pech für den Erben: Er bekommt keinen Einblick.
Manche Anbieter löschen die E-Mails
„Wenn uns ein offizieller Nachweis wie die Sterbeurkunde zugeht, löschen wir alle Daten, also das Nutzerkonto und die Nutzerkennung und damit auch alle Inhalte wie E-Mails und Bilder“, sagt eine Sprecherin des E-Mail-Dienstes Yahoo. Anders regelt es Web.de: Der Erbe darf auf das elektronische Postfach des Verstorbenen zugreifen, allerdings unter strengen Voraussetzungen. „Der Erbe muss den Erbschein vorlegen und sich ausweisen. Außerdem muss er den Zugriff auf das Postfach mit einem unterschriebenen Schriftstück beantragen“, sagt Martin Wilhelm, Pressereferent der 1&1 Internet AG, die den E-Mail-Dienst Web.de betreibt. Der Zugang zum Postfach wird den Erben nur einmalig gewährt. Sie können dabei ein neues Passwort einsetzen.
„Gesetzgeber gefordert“
„Es kann doch nicht vom Anbieter abhängen, ob der Erbe die E-Mails sichten darf oder nicht“, kritisiert Rechtsanwalt Bräutigam. „Hier ist der Gesetzgeber gefordert, klare Linien vorzugeben.“ Solange die rechtliche Lage nicht im Sinne der Erben geregelt ist, dürften sich in der Praxis die Fälle häufen, in denen Internetnutzer das Passwort und die Zugangsdaten für die Erben einfach hinterlegen. Dann kommen diese leicht an den Schriftverkehr und können das E-Mail-Konto auch selbst löschen. Den digitalen Nachlass zu sichten, ist für den Erben oft eine langwierige Aufgabe.
Neue Dienstleister bieten Service
Längst hat sich aus diesem Problem ein neuer Geschäftszweig entwickelt: Dienstleister wie das Unternehmen Semno bieten den Hinterbliebenen an, diesen Teil der Erbschaft zu sortieren. Dazu untersucht Semno den Computer des Verstorbenen und analysiert, wie er das Internet genutzt hat. Der Service kostet ab 139 Euro und setzt voraus, dass die Hinterbliebenen den Computer einsenden.
Gute Lösung: Das Testament
Wer seinen Erben die Suche ersparen möchte, regelt den digitalen Nachlass am besten in einem Testament und hinterlegt die Zugangsdaten beim Notar. Im Testament kann der Internetnutzer auch festhalten, dass er nicht möchte, dass seiner Familie bestimmte Daten zugänglich sind. Er kann bestimmen, dass ein Testamentsvollstrecker Informationen löscht. „Alternativ dazu kann der Nutzer in einer Vorsorgevollmacht eine Person benennen, die bei Krankheit oder Tod als bevollmächtigt gilt, Nutzungsverträge zu kündigen oder Daten zu übertragen“, sagt der Fachanwalt für Erbrecht Andreas Abel. Arne Sprung hat das digitale Erbe nicht viel Arbeit gemacht. Das E-Mail-Konto lässt er vorerst weiterlaufen, sonst fand er nichts Wichtiges, um das er sich hätte kümmern müssen. „Wenn ich jetzt sterben würde, sähe das anders aus“, sagt der 38-Jährige.
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