Pflanzen galten lange Zeit als hübsche, aber simple Geschöpfe. Eingeschränkt in ihrer Bewegungsfreiheit und – zumindest scheinbar – unfähig, zu kommunizieren, traute die Wissenschaft ihnen nicht allzuviel zu. Schwer verstellbar war für die Naturforscher etwa zunächst, dass es Pflanzen geben könnte, die Insekten fressen. Schließlich verhält es sich üblicherweise andersherum. Welche besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften findet man bei Pflanzen noch?
Antwort: Der Fichtenspargel beispielsweise, dessen bleiche, aus dem Moos ragende, spargelähnliche Stängel sich im Frühsommer in gemäßigteren Zonen auf der gesamten Nordhalbkugel beobachten lassen, verfolgt eine ungewöhnliche Überlebensstrategie. Da die Pflanze aus der Familie der Heidekrautgewächse kein Chlorophyll besitzt, kann sie keine Photosynthese betreiben. Stattdessen hat sie sich auf ein Leben als Parasit verlegt. Dieses Verhalten wird als Epiparasitismus bezeichnet: Eine Pflanze beutet eine andere unter Vermittlung einer dritten aus.
Im Fall des Fichtenspargels sieht das so aus: Er setzt sich an Pilze, die sich wiederum an den Wurzeln von Bäumen und Sträuchern bilden, sogenannte Mykorrhiza. Übersetzt bedeutet das nichts anderes als „Pilzwurzel“: eine Wurzel also, die von einem Mykorrhizapilz besiedelt ist.
Ein Baum, der keine Nachbarn duldet
Der Pilz umhüllt die äußersten, feinsten Wurzeln mit einem dichten Geflecht aus Hyphen, den fadenförmigen Zellen der Pilze. Die Pilze ernähren sich so von den Wurzeln, im Gegenzug versorgen sie ihre Baumpartner mit Wasser und mineralischen Nährstoffen. Der Fichtenspargel wiederum profitiert, indem er über das Hyphennetzwerk den Kohlenstoff der Bäume aufnimmt.
Eine ungewöhnliche Strategie, sich gegen Konkurrenten durchzusetzen, hat der Walnussbaum entwickelt. Wer den sommergrünen Laubbaum schon einmal gesehen hat, hat sicherlich bemerkt, dass der Boden unter ihm meist nicht bewachsen ist. Das liegt daran, dass die Blätter und Nussschalen des Baumes den wasserlöslichen Hemmstoff Zimtsäure enthalten, der vom Regen in die Erde ausgewaschen wird.
Kommt er im Boden mit Sauerstoff in Kontakt, verwandelt er sich in Juglon, einen Stoff, der das Wachstum vieler anderer Pflanzen hemmt. Kiefern, Birken und Linden etwa hindert er am Keimen, auch Nachtschattengewächse wie Tomate, Kartoffel und Paprika reagieren empfindlich, ihre Blätter vergilben und hängen schlaff hinab. Auch auf Insekten wirkt der Stoff abstoßend, weshalb man die Echte Walnuss früher gern in der Nähe von Misthaufen pflanzte.
Ein nahezu genialer Verbreitungsweg lässt sich beim Ruthenischen Salzkraut beobachten, das für die Besiedlung neuen Lebensraums wortwörtlich Purzelbäume schlägt. Die ein Jahr alt werdenden Pflanzen ziehen bei der Samenreife im Herbst und kurz vor dem Absterben, ihre Zweige so zusammen, dass sich ein kugelförmiges Gebilde aus vertrocknetem Geäst ergibt. Wenn die Samen dann reif sind und die Pflanze abgestorben ist, werden diese Kugeln vom Wind durch die Gegend geweht. Dabei fallen nach und nach die Samen heraus.
Inzwischen gilt das auch als Steppenroller bezeichnete Kraut als typisch für karge, trockene, unbelebte Gegenden, meist Steppen oder Wüsten. Kaum ein Wildwest-Film kommt ohne die über den trockenen Sand wehenden Kugeln aus. Dabei stammt das Kraut eigentlich aus Osteuropa. Nach Nordamerika gelangte es erst in den 1870er-Jahren, vermutlich zusammen mit Flachssamen, die aus Russland eingeführt wurden. Das wärmere Klima sorgte hier für eine rasche Verbreitung, weshalb es in den USA inzwischen als Unkraut gilt.
Ein wahrer Baukünstler ist der Strandhafer, der an vielen Küsten Nordwesteuropas zu finden ist. Die schmalen Halme, die aus dem Sand herausragen, sind nur ein kleiner Teil der Pflanze. Die Wurzeln des Hafers sind weit verzweigt und ziehen sich bis zu zehn Metern tief durch die Dünen. So reichen sie bis an die wasserführenden Schichten. Der Strandhafer ist dadurch sehr robust. Seine Halme und feinen Blätter können auch starken Wind brechen und zwingen den verwehten Sand so zum Absetzen. Die Körner lagern sich zwischen den Halmen ab, die sich elastisch der Windrichtung anpassen. Im Jahr können Halmpflanzungen so je laufendem Meter Küstenlinie bis zu drei Kubikmeter Sand abfangen. Dadurch werden nach und nach bis zu 25 Meter hohe Vordünen entlang der Randdüne hochgezogen. Bei einem schweren Sturm oder einer Sturmflut sind die Randdünen somit geschützt.
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