Erwachsene Kinder, die noch zu Hause wohnen und den elterlichen Internetanschluss nutzen, handeln auf eigene Verantwortung. Die Eltern haften nicht, wenn Volljährige das Internet zu illegalem Filesharing missbrauchen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Erwachsener Sohn lädt 3.750 Lieder herunter
Wie stark müssen Eltern ihre Kindern überwachen, wenn diese den elterlichen Internetanschluss benutzen? Die Frage war bislang umstritten. Nun hat der Bundesgerichtshof ein elternfreundliches Grundsatzurteil gefällt. Der Fall: Im Jahr 2006 hatte der damals 20-jährige Stiefsohn eines Polizeibeamten 3.749 Lieder über die Tauschbörse Bearshare heruntergeladen. Darunter befanden sich etwa die Songs „99 Luftballons“ und „Leuchtturm“ der Sängerin Nena. Wie nach der Technik bei Tauschbörsen üblich, bot der Sohn im Moment des Downloads die Lieder anderen Bearshare-Nutzern wiederum zum Herunterladen an („Filesharing“) – was als Urheberrechtsverletzung geahndet werden kann. Die Besitzer an den Songrechten – die Tonträgerhersteller, EMI, Sony, Universal und Warner – ließen die Adresse des Vaters als Anschlussinhaber ermitteln und mahnten ihn für das Filesharing ab.
Eltern als Anschlussinhaber in der Haftung?
Doch obwohl der Stiefsohn bei der Polizei gestand, klagten die Inhaber der Musikrechte weiter gegen den Vater. Sie sahen ihn als den Inhaber eines Internetanschlusses in der Verantwortung und verlangten von ihm die Erstattung von rund 3.500 Euro Abmahnkosten. Der Vater unterschrieb zwar eine Unterlassungserklärung, verweigerte aber die Bezahlung. Da die Musikrechte-Inhaber in der Regel nicht wissen können, wer zu Hause am Computer sitzt und tatsächlich die Lieder heruntergeladen hat, bedienen sie sich der sogenannten Störerhaftung. Danach gilt: Um das Eigentum der Rechteinhaber zu schützen, kann derjenige zur Verantwortung gezogen werden, über dessen Anschluss die Rechtsverletzung begangen wurde – sofern er bestimmte Aufsichtspflichten verletzt hat.
Volljährige Kinder müssen nicht überwacht werden
Ob Eltern gegenüber volljährigen Kindern überhaupt Aufsichtspflichten haben, war vom Bundesgerichtshof bislang noch nicht entschieden. Nun hat hat das Gericht klargestellt: In einer Familie dürfen Eltern ihren volljährigen Kindern das Internet grundsätzlich ohne Reglementierung zur Verfügung stellen. Es ist nicht erforderlich, dass sie vorsorglich verbieten, den Anschluss für illegale Aktivitäten zu missbrauchen. Und sie müssen den Kindern beim Surfen nicht permanent über die Schultern schauen. Erst wenn es – etwa durch eine Abmahnung – einen konkreten Anlass zur Vermutung gibt, dass etwas Unterlaubtes über den Anschluss geschieht, müssen Eltern eingreifen und den mutmaßlichen Täter etwa von der Internetnutzung ausschließen. Das heißt: Bis zur ersten Abmahnung haften Eltern für das illegale Filesharing ihrer erwachsenen Kinder grundsätzlich nicht (Bundesgerichtshof, Az. 28 O 202/10.
Belehrung für minderjährige Kinder reicht
Ende 2012 hatte der BGH in der sogenannten >Morpheus-Entscheidung< bereits zur Haftung der Eltern für das Tun ihrer minderjährigen Kinder geurteilt: Eltern müssen einen normal entwickelten 13-Jährigen zwar nicht darüber belehren, dass Tauschbörsen illegal sind und nicht genutzt werden dürfen. Hält sich das Kind aber nicht an diese Belehrung, haften nicht die Eltern in ihrer Funktion als Besitzer des Internetanschlusses. Über die Belehrung hinaus müssen Eltern grundsätzlich nichts tun. Sie müssen ihre minderjährigen Kinder bei der Internetnutzung auch nicht überwachen.
Zur Störerhaftung in Ehen und Wohngemeinschaften
Zur Überwachungspflicht in Ehen und Wohngemeinschaften hat sich der BGH ebenfalls noch nicht geäußert. Nach Ansicht einiger Instanzgerichte hat der Inhaber des Internetanschlusses aber auch bei diesen Formen des Zusammenlebens grundsätzlich keine Pflicht zur Kontrolle der Mitbewohner. Erst wenn es Anlass zu der Vermutung gibt, dass etwas Illegales über den Anschluss passiert, muss der mutmaßliche Täter überwacht und gegebenenfalls von der Internetnutzung ausgeschlossen werden.
Was tun, wenn die Abmahnung kommt?
Steht es fest, dass die Kinder die Urheberrechtsverletzung über den Anschluss der Eltern begangen haben, haben diese unter Umständen Schadenersatz zu zahlen. Bei Minderjährigen hängt die Haftung etwa davon ab, ob sie zum Tatzeitpunkt schon in der Lage waren das Unrechtmäßige ihrer Handlung zu erkennen. Handlungsempfehlungen, wie Eltern und ihre Kinder reagieren sollten, wenn eine Abmahnung ins Haus flattert, finden Sie im großen test-Special der Stiftung Warentest zum Abmahn-Ärger.
Stand: 14.01.2014
Ein Beitrag / Verbrauchertipp unserer/s Leserin/s Marion Keppler aus Kusel in Rheinland-Pfalz.
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