Für Tagesgeld gibt es kaum mehr als 1,5 Prozent Zinsen pro Jahr. Da macht Geld anlegen keinen Spaß mehr. Was tun? Im Chat auf test.de haben die Finanztest-Experten Karin Baur und Michael Beumer Antworten und Empfehlungen gegeben. Hier lesen Sie das Protokoll des Chats.
Die Top 3-Fragen
Moderator: Herzlich willkommen beim test.de-Expertenchat zum Thema Geld anlegen in der Niedrigzinsphase mit unseren Finanztest-Experten Karin Baur und Michael Beumer. Vor dem Chat hatten die Leser und Leserinnen bereits die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu bewerten.
Hier die TOP-1-Frage aus dem Pre-Chat:
Miansogri: Ich habe zur Zeit ca. 110.000 Euro auf verschiedenen Tagesgeldkonten und ca. 35.000 Euro in einem Depot mit 7 verschiedenen Fonds. Was raten Sie mir: Alles so lassen oder mehr in Fonds umschichten? Wegen meines Alters (63 Jahre) sollte die Anlagedauer so 5 – 7 Jahre Jahre betragen. Danke.
Karin Baur: Die genaue Beantwortung der Frage setzt ein Beratungsgespräch voraus. Wir wissen zum Beispiel nicht, was das für Fonds sind, in die Sie investiert haben. Grundsätzlich können Sie in Ihrem Alter bei einer Anlagedauern von rund 7 Jahren in Aktienfonds investieren. Am besten nehmen Sie möglichst breit streuende Aktienfonds wie Aktienfonds Welt. Wie hoch der Anteil an Aktienfonds sein kann, hängt von Ihrer Risikobereitschaft ab. Und davon, ob Sie das Geld in 7 Jahren dringend brauchen oder es eventuell noch liegen lassen können.
Moderator: …und hier die Top-2-Frage:
Herr S.: Wie soll ich 25.000 Euro anlegen bzw. verteilen? Weitere 5.000 Euro liegen parallel auf einem Tagesgeldkonto, Rendite steht zwar im Vordergrund, aber das Risiko soll überschaubar sein.
Michael Beumer: Erste Regel wäre immer, dass alle Schulden getilgt sein sollten. Das gilt für Dispo-Kredit, Ratenkredit oder auch das Hypothekendarlehen. Wenn dann die 25.000 Euro immer noch vorhanden sind, hängt die Aufteilung vor allem von der Risikoneigung des Anlegers ab. Für Laufzeiten bis fünf Jahre sollten Sie nur Zinsanlagen wählen. Für längere Laufzeiten können Sie auch Aktienfonds beimischen. Als defensiver Anleger könnten Sie eine Aktienquote bis 25 % in Betracht ziehen.
Moderator: …und die Top 3-Frage:
ETF: Welche Nachteile sehen sie bei ETFs gegenüber einer Direktanlage in Aktien?
Michael Beumer: ETFs verursachen anders als Aktien in der Regel laufende Kosten. Angenommen Ihr Depot kostet keine Gebühren, dann zahlen Sie nach dem Kauf der Papiere nichts mehr. Allerdings sehen wir mehr Nachteile in umgekehrter Richtung: Der Kauf vieler Einzeltitel ist wegen der Mindestgebühren der Banken teurer als der Kauf eines Fonds – es sei denn, Sie sind sehr vermögend. Wenn Sie nur Geld für wenige Einzeltitel haben, gehen Sie außerdem ein viel größeres Risiko ein als mit einem Fonds.
Exchange Traded Funds (ETF)
ETF: Wie kommt es, dass einige ETFs keine laufenden Kosten verursachen (TER= 0%)? Beispiel: LU0274211217
Karin Baur: Hausinterne Kosten fallen immer an. Wenn die Anbieter eine TER von 0% ausweisen, dann verdienen sie womöglich an anderer Stelle. Manche geben z. B. eine Überrendite, die sie gegenüber dem Vergleichsindex erwirtschaften, nicht zu 100 % an ihre Kunden weiter. Andere erwirtschaften Erträge, beispielsweise indem sie Wertpapiere verleihen.
ETF: Lohnt es sich, an ausländischen Börsen notierte ETFs zu erwerben, um von den niedrigeren Kosten (TER) der dort notierten ETFs zu profitieren? Beispiel: US9229087690, TER: 0,05 %, Börse: NYSE
Karin Baur: Davon raten wir aus zwei Gründen ab: 1. Der Kauf ist zu teuer. 2. Wenn der Fonds in Deutschland nicht zugelassen ist, gibt es steuerliche Probleme.
tim_moj: Sie empfehlen als Basisanlage Indexfonds bzw. ETFs, die den MSCI World abbilden. Zwei Ihrer konkreten Empfehlungen (d.h. der db x-trackers MSCI World ETF sowie der iShares MSCI World) laufen auf US Dollar als Währung und nicht auf Euro. Setze ich mich damit einem Währungsrisiko aus, wenn ich einen größeren Betrag in einen der genannten ETFs investiere? Wenn ja, wie sollte ich dies berücksichtigen?
Michael Beumer: Der MSCI World ist überwiegend im Dollarraum investiert. Ob Sie einen Fonds in US-Dollar oder Euro haben, ist für das Währungsrisiko egal. Der Währungstausch findet nur an anderer Stelle statt. Kaufen Sie den Fonds in US-Dollar, findet der Wechsel bei Ihnen statt, kaufen Sie den Fonds in Euro, dann muss der Fonds den Währungstausch in Dollar vornehmen.
Kettwiesel: Profitiert der Anleger bei swap-basierten ETFs von Dividendenzahlungen?
Karin Baur: Sie bekommen auch bei swap-basierten ETFs Dividenden. Sie werden bei der Kursentwicklung berücksichtigt statt ausgeschüttet.
Wie viel Risiko?
anon: Sie empfehlen „Mut zur Rendite“ wegen niedriger (oder real negativer) Zinsen. Genau solche Empfehlungen kritisiert einer der weltweit führenden Finanzökonomen (Zvi Bodie) aufs schärfste: Niedrige oder negative Renditen seien keine logische Begründung für riskantere Anlagen. Das Aktienrisiko sei zudem bei langfristiger Anlage nicht geringer, sondern höher als bei kurzfristiger Anlage. Wie ist Ihre Stellungnahme?
Karin Baur: Niemand sollte mehr Risiken eingehen als er kann oder will. Das gilt selbstverständlich sowohl für Zeiten hoher als auch für Zeiten niedriger Zinsen. Wenn ein Anleger aber eine höhere als die derzeitige sichere Verzinsung wünscht, dann bleibt ihm nichts anderes übrig als riskantere Anlagen beizumischen. Aktien in Form von von breit streuenden Aktienfonds Welt sind dafür sehr gut geeignet.
Michael Beumer: Wichtig ist, dass wir riskantere Anlagen als Beimischung empfehlen. Unser Artikel richtet sich an jene Anleger, die etwas Risiko eingehen wollen, aber der Fokus bleibt klar auf den sicheren Anlagen.
Anfallende Gebühren
Moderator: Hier eine aktuelle Frage:
Aeromunich: Zur Zeit lockt meine Bank mit Verzicht auf Ausgabeaufschlag auf bestimmte Fonds. Wie verhandelbar ist der Ausgabeaufschlag sonst?
Michael Beumer: Ausgabeaufschläge bekommt man oft zum Rabatt bei den Fondsgesellschaften selbst. Im Internet gibt es zudem Fondsvermittler, die Fonds ohne Ausgabeaufschlag verkaufen. Unabhängig davon sollte man einen Fonds nicht deshalb kaufen, weil er gerade keinen Aufschlag hat. Wichtig ist, ob der Fonds zu den eigenen Anlagezielen passt, er in der Vergangenheit gut war und man damit rechnet, dass dies in der Zukunft so bleiben wird.
Moderator: …und noch eine aktuelle Nachfrage:
energiebaer: Kann ich bei einer Investition in einen Aktienfonds den Ausgabeaufschlag umgehen und trotzdem bei einer seriösen Quelle kaufen? Habe ich dann auch die volle Auswahl?
Karin Baur: Wenn Sie den Ausgabeaufschlag ganz umgehen wollen, gibt es auch die Möglichkeit, den Fonds über die Börse zu kaufen. Das kostet dann je nach Bank z.B. 1 % vom Kurswert.
Tagesgeld oder Festgeld?
checker: Welche Geldanlageformen sind denn derzeit überhaupt sinnvoll außer Aktienfonds? Ich habe 50.000 Euro auf meinem Tagesgeldkonto geparkt und weiß schlichtweg nicht, welche Alternativen es gibt. Anlagezeitraum 5 Jahre. Haben Sie einen Tipp?
Michael Beumer: Bei Ihrem Anlagezeitraum wäre es auf jeden Fall sinnvoll, vom Tagesgeld in eine Festgeldanlage zu wechseln zum Test Festgeld. Diese ist höher verzinst, wenngleich natürlich auf einem im Vergleich zu früheren Zeiten geringeren Niveau.
Herr S.: Welchen Anlagehorizont empfehlen Sie bei Festgeld, 12, 24, 36 Monate oder mehr?
Michael Beumer: Länger als 36 Monate würden wir wegen des niedrigen Zinsniveaus derzeit nicht empfehlen. Kürzere Laufzeiten sollten sich eher danach richten, wann Sie das Geld brauchen. Wenn Sie in der Hoffnung auf später steigende Zinsen nur ein Jahr statt zwei Jahre anlegen, dann muss der Zins im zweiten Jahr deutlich gestiegen sein, wenn sich diese Strategie lohnen soll.
tom1: Angenommen, Sie haben 10.000 € Reserve für Ausfall KFZ, Reparaturen an Immobilie, etc. Daneben sind 20.000 € frei anzulegen in Verteilung Sicher / Risiko. Ist Tagesgeld 15.000 € und ETF (z.B. Europa) 5.000 € ein guter Mix? Was empfehlen sie? Vielen Dank!
Karin Baur: Die Aufteilung Tagesgeld und ETF ähnelt unserem – klingt jetzt komisch – Europa-Pantoffel für den sicheren Typ. Wir meinen damit ein Portfolio für einen bequemen Anleger. Es besteht zu einem Teil aus sicheren Zinsanlagen und zum anderen Teil aus Aktienfonds. Statt Europa könnten Sie auch den Welt-Pantoffel wählen mit Aktienfonds Welt oder den Tiger-Pantoffel, der zusätzlich Rohstoffe enthält.
Kleinere Beträge anlegen
Moderator: …und noch eine aktuelle Frage:
Eigner: Ich habe etwas Geld für meine Studienfinanzierung angespart. Rendite ist wichtig, wichtiger: die Anlage muss vor allem flexibel und sicher sein. Mein ehemaliger VL-Bausparer ist ausgelaufen und stillgelegt. Es sind ca. 2.500 Euro mit 2,5 % Zinsen + 1,5 % Bonus. Mein Tagesgeld von 4.500 Euro mit 0,5 % verzinst. Macht es Sinn, den Bausparer aufzulösen und zusammen mit den Tagesgeld in eine neue Anlage umzuschichten? Oder nur das Tagesgeld? Aber welches Alternativprodukt ist sinnvoll?
Michael Beumer: Sie sollten ein Tagesgeldkonto eröffnen bei einem Anbieter, der höhere Zinsen zahlt. Dort sind 1,5 % auf jeden Fall drin. Wenn der Bausparvertrag weiter mit 2,5 % verzinst wird, sollten Sie die Zinsen mitnehmen, sofern Sie das Geld nicht brauchen.
Ketas: Ich möchte für meinen Enkel 5.000 € für die nächsten 15 Jahre mit möglichst wenig Aufwand anlegen. Was empfehlen Sie?
Karin Baur: Da gibt es viele Möglichkeiten: Eine, die ganz gut passen würde, wäre unser Pantoffel-Portfolio. 25 oder 50 % Aktienfonds Welt und den Rest in sichere Zinsanlagen.
Bausparen
Marshmellow74: Wir wollen in Kürze eine Immobilie erwerben. Wann macht ein Riester-Bausparvertrag Sinn und wie hoch ist die Verzinsung? Die Banken raten uns davon ab, da nachversteuert wird. Wie sehen sie das?
Michael Beumer: Riester-Bausparverträge können Sinn machen, vorausgesetzt, Sie erwischen einen guten Vertrag. Alternativ können Sie auch zunächst in einen Riester-Banksparplan einzahlen und gegebenenfalls beim Kauf einer Immobilie das Geld für die Finanzierung einsetzen. Generell sind gute Riester-Hypothekendarlehen sehr zu empfehlen. Allerdings muss man wissen: Das Geld, was für den Kredit eingesetzt wird, wird auf einem sogenannten Wohnförderkonto vermerkt und verzinst. Im Alter muss man auf dieses Vermögen Steuern zahlen, obwohl einem kein Geld mehr daraus zufließt.
Moderator: …und noch eine aktuelle Nachfrage:
Eigner: Stichwort Bausparer noch mal: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie nur das Tagesgeld umschichten würden und den Bausparer stehen lassen? Die o.g. Konditionen für ihn sind auf Dauer festgelegt.
Michael Beumer: Ja, so lange das Zinsniveau so niedrig bleibt.
Riskante Geldanlagen
crony2306: Was halten Sie von Anleihen aus den aufstrebenden Volkswirtschaften? Nach starken Kursverlusten rentieren diese inzwischen auf attraktiven Niveaus, z.B. Papiere aus Brasilien. Könnte das eine Beimischung sein?
Karin Baur: Das sind riskante Papiere. Sie sollten außer auf die Verzinsung auch auf das Währungsrisiko achten. Das empfiehlt sich nur für den erfahrenen, risikobereiten Anleger.
pedro: Was halten Sie von P2P-Krediten (Auxmoney, Isepankur) und Crowdfunding (Seedmatch, Companisto)?
Michael Beumer: Das ist ein sehr spezielles Segment. Auxmoney haben wir einmal ausführlicher untersucht. Man sollte wissen, dass man ähnlich wie eine Bank Kreditgeber ist.
Verwaltung des Depots
Moderator: …und noch eine aktuelle Frage:
claudia4617: Wie oft sollte man die Aktien und Fonds in seinem Depot kritisch unter die Lupe nehmen und eventuell umschichten?
Michael Beumer: Mindestens einmal jährlich. Wenn es an den Börsen unruhig wird, kann ein zusätzlicher Blick auf keinen Fall schaden.
energiebaer: Welche Kosten beim Kauf/Verkauf und Verwalten von Aktien oder Anleihen können nach Ihrer Erfahrung minimiert werden und wie?
Karin Baur: Sie können einmal eine günstige Kaufquelle suchen. Bei Fonds z. B. freie Vermittler im Internet, bei Aktien oder Anleihen sind in der Regel Direktbanken günstig. Außerdem gibt es dort häufig kostenlose Depots.
B: Kann man irgendwie als Privatmann selbst in Fonds investieren oder geht das nur mit einem Bankberater?
Karin Baur: Sie brauchen zwar ein Bankdepot, aber Ihre Entscheidungen können Sie selbst treffen – nach dem Studium von Finanztest :-).
Moderator: Die Chat-Zeit ist auch schon fast um: Wollen Sie noch ein kurzes Schlusswort an die User richten?
Karin Baur: Auch wenn es vielleicht banal klingt: Wir empfehlen bei der Geldanlage immer verschiedene Anlageformen zu mischen. Wenn Sie bisher ausschließlich Zinsanlagen haben, könnten Sie Ihre Ersparnisse z. B. mit einem kleinen Anteil Aktienfonds aufpeppen.
Michael Beumer: Wichtig ist es, grobe Fehler zu vermeiden. Bis man sich von denen erholt hat, dauert es sehr lange. Viele Anleger vergessen dies bei der Suche nach den besten Renditechancen.
Moderator: Das waren 60 Minuten test-Expertenchat. Vielen Dank an die User für die vielen Fragen, die wir aus Zeitgründen leider nicht alle beantworten konnten. Vielen Dank auch an Karin Baur und Michael Beumer, dass Sie sich die Zeit für die User genommen haben. Das Chat-Team wünscht allen noch einen schönen Tag.
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