Grenzenlos vererben? – Vorsicht – neues Erbrecht für Deutsche im Ausland!

Bisher galt für Bundesbürger immer deutsches Erbrecht. Das änderte sich im August 2015. Besonders im Ausland lebende Deutsche sollten jetzt handeln.

AUCH WENN ES bisher kaum jemand mitbekommen hat: Der 17. August 2015 hat es in sich. Dann wird aus dem Prinzip „Grundsätzlich gilt für jeden Deutschen deutsches Erbrecht“ über Nacht „Für alle, die überwiegend in Deutschland wohnen, gilt deutsches Erbrecht“. Fast in der gesamten EU greift dann das Aufenthaltsprinzip. Das bedeutet de facto: Für den Nachlass der allermeisten Deutschen, die ständig im Ausland leben und dort sterben, gilt – erst einmal – das Erbrecht ihres Gastlandes. Bisher war in der EU nicht einheitlich geregelt, welches Recht in grenzüberschreitenden Erbfällen gilt. Das führte oft dazu, dass auf einen Erbfall das Recht mehrerer Länder angewendet wurde. Künftig gilt pro Erbfall grundsätzlich nur ein Erbrecht – entweder das des Wohnsitz- oder das des Heimatlandes. Das verringert die Gefahr, dass Gerichte und Behörden verschiedener Staaten einander widersprechende Entscheidungen fällen.

Erhebliche Rechtsunterschiede

Die Folgen dieser Erbrechtsänderung können gravierend sein. So weist der Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht darauf hin, dass das Erbrecht von Ehegatten und Kindern in der EU völlig unterschiedlich geregelt ist. In Deutschland erben sie grundsätzlich gemeinsam, in Schweden erbt unter Umständen der Ehegatte allein, und in Frankreich wiederum haben Ehepartner meist nur eine Art Nießbrauch am Nachlass. Auch im britischen Erbrecht ist der Pflichtteilsanspruch von Kindern völlig anders geregelt als in Deutschland. Und in Spanien erhält bei gesetzlicher Erbfolge der überlebende Ehegatte nur ein Nutzungsrecht, sollte es gemeinsame Kinder geben.

Ebenfalls betroffen: Paare mit Berliner Testament. Denn diese Form, bei der sich Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, ist in vielen Ländern unbekannt. Bei einem deutschen Ehepaar, das in Deutschland ein Berliner Testament errichtet hat und dann nach Mallorca zieht, kann dies dazu führen, dass die Verfügungen nicht anerkannt werden. Problematisch ist auch ein deutsches Testament, das Vor- und Nacherbschaft anordnet, da beispielsweise das spanische Erbrecht diese Begriffe gar nicht kennt.

Geltendes Erbrecht aktiv bestimmen

Die gute Nachricht: Per Testament oder Erbvertrag kann jeder bestimmen, dass bei der Regelung seines Nachlasses das Erbrecht des Landes angewendet wird, dessen Staatsbürger er ist. So kann ein deutscher Rentner, der auf Mallorca wohnt, für seinen Erbfall deutsches Erbrecht wählen, so ein Fachanwalt. Darüber sollten nicht nur langzeiturlaubende Senioren nachdenken, sondern auch alle, die von ihrem Arbeitgeber längere Zeit ins Ausland geschickt werden.

Ein Tipp: Obwohl die Neuregelung erst am 17. August 2015 in Kraft tritt, können Testamente und Erbverträge schon jetzt in Hinblick darauf abgefasst oder geändert werden.

Stand: 01.07.2015

Ein Beitrag unserer/s Leserin/s Tobias Stember aus Marktleuthen in Bayern.
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