Wenn sich zwei Menschen im Aussehen oder anderer Hinsicht stark ähneln, ist manchmal auch der Hinweis zu hören, sie glichen sich wie ein Ei dem anderen.
Wortwörtlich sollte diese Redewendung allerdings nicht genommen werden, wie zum Beispiel der Biologe Wolfgang Makatsch (1906 bis 1983) schon vor einem halben Jahrhundert in einem Buch mit dem Titel „ Kein Ei gleicht dem anderen“ deutlich gemacht hat. Tatsächlich sind Vogeleier sehr unterschiedlich. Wie machen sich diese Unterschiede bemerkbar?
Antwort: Eine Forschergruppe um Cristina-Maria Valcu vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen hat die Unterschiede zwischen Vogeleiern am Beispiel von Blaumeisen untersucht. Diese kleinen Vögel pflanzen sich den Expertenangaben zufolge einmal im Jahr fort. Die Weibchen legen demnach täglich ein Ei, bis sich etwa sieben bis 15 Eier im Nest befinden. Die Zusammensetzung der Eier hängt davon ab, inwieweit die Weibchen in der Lage sind, unterschiedliche Inhaltsstoffe zu bilden, zu sammeln und einzulagern. Dass es dabei große Unterschiede gibt, zeigen Cristina-Maria Valcu und ihre Kollegen in ihrer Studie, die sie kürzlich im Fachjournal „Communications Biology“ veröffentlicht haben.
Wie die Forschergruppe erläutert, werden Vogeleier nicht nur mit verschiedenen Nährstoffen und biochemischen Grundlagen für die Entwicklung des Nachwuchses ausgestattet, sondern auch mit den nötigen Voraussetzungen, um unterschiedlichen Umweltbedingungen gerecht zu werden. Die Zusammensetzung der Eier kann sich nach Darstellung der Wissenschaftler unter anderem abhängig von der Temperatur, Infektionsrisiken oder dem Geschlecht des Nachwuchses unterscheiden. In begrenztem Maße seien Weibchen fähig, die Größe und die Zusammensetzung der Eier an die jeweiligen Erfordernisse anzupassen.
Im Rahmen ihrer Studie haben die Wissenschaftler in Eiern den Nährstoffgehalt sowie die Konzentration von fast 300 verschiedenen Eiweißstoffen (Proteinen) und sogenannten Karotinoiden gemessen. Karotinoide sind fettlösliche Pigmente, die unter anderem in Pflanzen vorkommen. Die Vögel stellen solche Stoffe nicht selbst her, sondern nehmen sie mit der Nahrung auf. Karotinoide sind nach Aussage der Forscher für die Entwicklung und das Immunsystem des Nachwuchses wichtig. Wie viel von diesen Stoffen im Eigelb eingelagert werden könne, hänge vom Nahrungsangebot der Vögel ab, das heißt von der zur Verfügung stehenden Menge an karotinoidreichen Insekten.
Wie sich herausstellte, weisen die Eier in Nestern unterschiedliche Konzentrationen von Karotinoiden auf. Je später die Eier gelegt worden waren, desto geringer waren die Mengen. Dies könnte den Schluss nahelegen, dass Jungtiere, die aus solchen Eiern schlüpften, über ein schwächeres Immunsystem verfügten. Tatsächlich aber zeigte sich, dass die Eier dafür mehr für die Immunabwehr wichtige Eiweißstoffe enthielten. Die Wissenschaftler nehmen an, dass die Weibchen den Gehalt der Eier an solchen Proteinen regulieren. Diese Möglichkeit scheint ihnen zu helfen, nachteilige Umwelteinflüsse auszugleichen.
Proteine erfüllen in Organismen viele unterschiedliche Aufgaben. So sind sie zum Beispiel auch für den Stoffwechsel und den Aufbau von Zellen, Geweben und Organen wichtig. Auch bei anderen als den für die Immunabwehr benötigten Proteinen stellten die Forscher fest, dass ihre Konzentration von der Reihenfolge abhing, in der die Eier gelegt worden waren. Außerdem zeigte sich, dass bestimmte Proteine in den Eiern älterer Weibchen in größeren Mengen anzutreffen waren als in den Eiern von Weibchen, die zum ersten Mal brüteten. Aus ihren Erkenntnissen zieht die Forschergruppe um Cristina-Maria Valcu den Schluss, dass erfahrene ältere Weibchen möglicherweise über bessere Fähigkeiten verfügen, Proteine im Eigelb einzulagern.
Die äußere Hülle von Eiern, die Schale, besteht aus Kalziumkarbonat, das heißt Kalk. Die Schalen der Eier von Vögeln sind weit mehr als die zerbrechlichen Gebilde, als die sie Menschen bei oberflächlicher Betrachtung wahrnehmen. Sie erfüllen mehrere Aufgaben gleichzeitig. Damit Küken überleben können, darf es im Ei nicht zu warm werden. Der Gasaustausch muss funktionieren und die Schale muss so aufgebaut sein, dass sie nicht allzu leicht beschädigt wird. Andererseits muss sie so beschaffen sein, dass es dem Küken gelingt, sie aufzubrechen. Eischalen sind so konstruiert, dass sie einem großen Druck standhalten. Winzige Poren in der Schale stellen sicher, dass Sauerstoff ins Ei und Kohlendioxid und Wasserdampf aus dem Ei hinaus ins Freie gelangen können. Eine als Eizahn oder Eischwiele bezeichnete Erhebung am Schnabel gibt Küken die Möglichkeit, die Schale so lange zu bearbeiten, bis sie zerbricht.
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