Lange Zeit haben Wissenschaftler angenommen, dass nur Menschen Werkzeuge herstellen und gebrauchen könnten. Mittlerweile ist bekannt, dass diese Vermutung falsch ist.
Großes Aufsehen erregte zum Beispiel eine Neukaledonische Krähe, die einen Draht zu einem Haken bog und damit kleine Futterbehälter aus einer Röhre angelte. Ihre Fähigkeit bewies sie unter Laborbedingungen. Wie aber unterscheiden sich Tiere von Menschen, wenn sie ihre Fertigkeiten in ihrem natürlichen Umfeld einsetzen?
Antwort: Um ein genaueres Bild von den Unterschieden zwischen Menschen und Tieren beim Werkzeuggebrauch zu erhalten, hat sich eine Forschergruppe vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig angesehen, wie wild lebende Schimpansen des Taï-Nationalparks an der Elfenbeinküste und Angehörige einer als Mbendjele BaYaka bezeichneten Menschengruppe in den Wäldern der Republik Kongo Nüsse knacken. Sowohl die Schimpansen als auch die Menschen nutzen Nüsse einer als Panda oleosa bezeichneten Art. Um sie zu öffnen, verwenden die Menschen unter anderem Hämmer aus Holz, wobei ein Buschmesser als Amboss dienen kann. Die Schimpansen hingegen setzen Steine als Hammer ein. Die Rolle des Ambosses kann eine Baumwurzel übernehmen. Für Mensch wie Tier kommt es darauf an, alle Gegenstände so anzuordnen und einzusetzen, dass die Nuss zwar geöffnet, ihr Inhalt aber nicht zerschlagen wird.
Zu den weitverbreiteten Annahmen gehört, dass nur Menschen andere unterrichten. Wie das Beispiel der Schimpansen zeigt, gibt es dieses Phänomen aber auch bei Tieren. Schimpansen geben ihr Wissen über die richtige Art, Nüsse zu knacken, ebenfalls an Artgenossen weiter, wie die Gruppe der Forscher vom Max-Planck-Institut im Fachjournal „Scientific Reports“ erklärt. Nach ihren Angaben benötigen sowohl Menschen als auch Schimpansen Jahre der Übung, um die Technik perfekt zu beherrschen. Auch anfängliche Fehler wie den, die Nuss auf den Boden statt auf den Amboss zu legen, konnten die Wissenschaftler bei beiden Gruppen beobachten. Nach ihren Erkenntnissen erreichen die Schimpansen schneller als die Menschen ein hohes Maß an Effizienz. Für die Tiere ist das richtige öffnen der Nüsse von zentraler Bedeutung, weil diese für sie anders als für die Menschen über viele Monate des Jahres ein wichtiger Bestandteil ihrer Ernährung sind.
Nach den Angaben der Forschergruppe unterstreichen die Beobachtungen, dass Unterricht den Erwerb von Fähigkeiten erleichtert und bei Menschen wie auch bei Schimpansen häufig eingesetzt wird, wenn es um das Erlernen komplexer Fertigkeiten geht. Beide Gruppen sind gezwungen, Herausforderungen zu bewältigen, denen sie tagtäglich in ihrem Umfeld begegnen. Gut vorstellbar sei, so die Wissenschaftler, dass sich bei ähnlichen Herausforderungen auch die Lösungsansätze und geistigen Fähigkeiten ähnlich entwickelten. Schimpansen gelten als die nächsten lebenden Verwandten des Menschen. Die Entwicklungswege der Affen und der Vorfahren des Menschen trennten sich nach heutigem Kenntnisstand vor mehr als fünf Millionen Jahren.
In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Studien gezeigt, dass der Werkzeuggebrauch bei Tieren alles andere als selten ist. Wer zur Erreichung eines Ziels Gegenstände – und nicht etwa nur bestimmte Körperteile – einsetze, verwende diese als Werkzeug, hat einmal die berühmte Affenforscherin Jane Goodall gesagt. Dass es dabei auch im Tierreich eine große Vielfalt an unterschiedlichen Praktiken gibt, zeigt nicht zuletzt das Beispiel der Schimpansen. Diese benutzen Blätter als Schwamm oder auch als Tuch und setzen Stöcke unter anderem dazu ein, Termiten zu angeln oder nach Ameisen zu graben.
Von Seeottern ist bekannt, dass sie Steine verwenden, um die Schalen von Beutetieren zu zerschlagen. Die Seeotter fressen ihre Beute, während sie im Wasser auf dem Rücken liegen. Entweder sie schlagen das Schalentier gegen einen auf der Brust liegenden Stein, oder sie legen das Tier auf die Brust, um dann mit einem Stein dagegenzuschlagen. Galapagosfinken benutzen Kaktusdornen, um Insekten unter der Borke von Bäumen aufzuspießen, und Schmutzgeier werfen Steine auf Straußeneier, um sie aufzubrechen. Großes Aufsehen erregte die Erkenntnis, dass Goffinkakadus in der Lage sind, an bestimmte Erfordernisse angepasste Werkzeuge herzustellen. Um an Futter zu gelangen, das hinter einem kleinen Loch verborgen war, fertigten die Vögel aus Pappe ein Werkzeug. Mithilfe ihres Schnabels bissen sie an einer Seite der Pappe immer wieder an bestimmten Stellen in das Material, sodass sie einen passenden Streifen erhielten. Diesen lösten sie dann mit der scharfen Spitze ihres Schnabels heraus.
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