Flussspat für die Chemische Industrie – Erstmals seit 40 Jahren eröffnet in Deutschland ein neues Bergwerk
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Da stand der Tross der Journalisten, tief im Innern des Berges, vor dem neu aufgeschlossenen Fluss- und Schwerspatgang der Lagerstätte Niederschlag, ganz im Süden Sachsens, im Erzgebirge, unmittelbar an der Grenze zu Tschechien, unweit von Oberwiesenthal und dem Fichtelberg. In der Finsternis folgte das Licht der Kameras den milchig-weißen Adern und den blauen Verfärbungen im rötlichen Gestein. Da waren sie, die Rohstoffe, die heute wieder so wertvoll geworden sind. Schwerspat, auch Baryt genannt und unter seiner chemischen Bezeichnung Bariumsulfat bekannt, ist ein häufig vorkommendes mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate und Verwandte“. Hauptsächlich wird es in der Tiefbohrtechnik als Zusatz für Bohrspülungen und bei der Herstellung von fotografischen Papieren verwendet. Zudem wird es als Bestandteil von Schwerbeton und in Kontrastmitteln für Röntgenuntersuchungen des Magens genutzt. Man findet es auch in Kunststoffen und Dämmmatten, die in der Autoindustrie verarbeitet werden.
Ob das jetzt ein historischer Tag für den Bergbau in Deutschland sei, wollte der Reporter vom ZDF wissen. Einer der Geschäftsführer der Erzgebirgischen Fluss- und Schwerspat-Werke GmbH gab sich bescheiden. Vielleicht könne man Vorbild sein für andere. Natürlich sei er überwältigt und stolz, nach einem Stillstand von 40 Jahren in Deutschland wieder ein Bergwerk zu eröffnen. Bergbau sei in Deutschland möglich, das habe man nun unter Beweis gestellt. Ein Professor für Lagerstättenkunde mit Lehrauftrag in Marburg, war der letzte Bergwerksdirektor der Zinngrube im weiter östlich gelegenen Altenberg, die 1991, ebenso wie die Grube in Ehrenfriedersdorf, wegen Unrentabilität schließen musste. Inzwischen ist der Zinnpreis explodiert.
Über den Erfolg entscheiden die Weltmärkte
Auf Niederschlag haben sie also ihre Erfahrungen mit den Rohstoffpreisen. Die Lagerstätte birgt gesicherte Fluss- und Schwerspatvorräte für 25 Jahre, wahrscheinlich auch für ein weiteres Jahrzehnt, denn noch sind die Erkundungen nicht abgeschlossen. In fünf Jahren sollen die Mittel für die Investitionen in Höhe von 25 Millionen Euro zurückgezahlt sein. Danach will das Unternehmen, inzwischen eine Tochter der Nickelhütte Aue GmbH, in die Gewinnzone kommen.
Größtes Risiko ist das Auf und Ab der Rohstoffpreise. Doch Flussspat zählt laut EU-Liste zu den 15 seltensten Elementen. Und der derzeitige Preis von rund 300 Euro pro Tonne, der auch schon deutlich höher lag, lässt die Förderung recht aussichtsreich erscheinen. Praktisch hängt alles vom künftigen Eigenbedarf Chinas ab, des größten Flussspat-Produzenten weltweit. Wächst der Bedarf und wird das Produkt dort knapp, steigen die Weitmarktpreise.
Die Fachleute zeigten sich jedenfalls begeistert, das Vorhaben fand ein positives Echo, auch in der Öffentlichkeit. Es gab über 100 Bewerbungen für die 17 Stellen unter Tage. Jetzt hofft die Bevölkerung auf weitere Bergwerke. Tatsächlich gehen Experten von zahlreichen weiteren Vorräten aus, so an Zinnerz, Wolfram, Molybdän, Lithium, Wismut und selbst Indium, das in der Hochtechnologie äußerst begehrt ist. Fazit der Fachleute: Was sich im Erzgebirge unterhalb von 1.000 Metern noch altes verbirgt, darüber ist nur wenig bekannt. Und: Deutschland ist kein rohstoffarmes Land.
Arbeitssicherheit: Augenmerk gilt der Strahlenbelastung
Besonderes Augenmerk widmet das Unternehmen der Arbeitssicherheit. Denn die neue Anlage, die von der BG RCI in Gera betreut wird, ist nicht die erste bergmännische Unternehmung an dieser Stelle. Noch bis Ende der fünfziger Jahre-war weiter oben im Berg die ehemalige SDAG Wismut aktiv auf der Suche nach Uran. 7.000 Kumpel haben hier einst gearbeitet. Heute ist davon so gut wie nichts mehr zu sehen. Aber die Strahlenbelastung ist geblieben. So hat man bei dem neuen Vorhaben sorgsam jeden Kontakt zum Altbergbau vermieden. Abdichtungen und wettertechnische Maßnahmen dienen zusätzlich dem Schutz.
Von den Explorationen, die zu DDR-Zeiten durchgeführt worden waren, hat das neue Vorhaben entscheidend profitiert. Ohne diese Erkenntnisse wäre der Neuaufschluss der Fluss- und Schwerspat-Lagerstätte nicht zu realisieren gewesen, so das Unternehmen. Damals hat man die erkundeten Vorkommen als Reservelagerstätte deklariert und nicht angetastet, vielleicht auch, weil es anders als heute keine Technologie gab, die vermischten Minerale wirtschaftlich erfolgreich zu trennen.
Und dies ist auch das Novum auf Niederschlag: die gewaltige untertägige Aufbereitung mit Brechern und Sieben und einer integrierten Nebengesteinssortierung mittels Röntgenstrahlen. Dank dieser Vorsortierung wird es über Tage keine Halden geben. Das Nebengestein verbleibt vielmehr als Versatz in den Hohlräumen des abgebauten Spatganges. Auch die anfallenden Berge aus der übertägigen Weiterverarbeitung werden auf die gleiche Weise verwendet.
Läuft die Spatproduktion auf vollen Touren, werden bis zu 135.000 Tonnen Rohspat pro Jahr erreicht. Der Jahresbedarf an aufbereitetem Spat, dem sogenannten Säurespat, liegt in Deutschland bei 250.000 Tonnen, gut ein Viertel davon käme dann aus dem Erzgebirge. Nur im Nordschwarzwald gibt es mit der Grube „Clara“ einen weiteren Spat-Produzenten in Deutschland. Bisher wurde der Bedarf zu etwa 85 Prozent durch Importe gedeckt, meist aus China, Mexiko oder Spanien.
Grundstoff für die Fluorchemie
Die zweite Stufe der Aufbereitung befindet sich am Standort Aue auf dem Gelände der dortigen Nickelhütte. Hier werden im Dreischichtbetrieb ein Flussspat-Konzentrat zur Herstellung von Flusssäure, ein Schwerspat-Konzentrat für die Füllstoffproduktion sowie .ein Sulfid-Konzentrat zur Gewinnung von Buntmetallen hergestellt. Flussspat ist ein Grundstoff für die Fluorchemie und wird beispielsweise in Kühl- und Klimaanlagen, zum Ätzen von Glas, bei der Produktion von Aluminium und Stahl sowie als Fluor in der Zahnpasta eingesetzt. Schwerspat dagegen findet als Füll- und Dämmstoff beispielsweise in der Bauindustrie Verwendung.
In Aue und in Niederschlag waren 37 neue Arbeitsplätze entstanden. Über eine 5 Meter breite und ebenso hohe Fahrstrecke geht es hinab in den Berg. In etwa 50 Meter Tiefe unter dem Mundloch liegt die neu aufgeschlossene Lagerstätte. Rund sechs Jahre wurde geplant, nach den ersten 3 Jahren erfolgte die erste Sprengung. Jetzt liegt der neue Spatgang mit einer Mächtigkeit von drei bis fünf Metern und einem Spatanteil von rund 60 Prozent pro geförderte Tonne erfüllt er alle Erwartungen. Die „old economy“ bringt noch einiges zustande.
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