Präparate mit Omega-3-Fettsäuren werden gern als Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermarktet. Einer neuen chinesischen Studie zufolge soll die regelmäßige Einnahme von Fischölkapseln gegen Brustkrebs helfen. Die Ergebnisse sorgten in Deutschland für Schlagzeilen – dabei sind sie widersprüchlich und nicht besonders aussagekräftig. test.de klärt dazu auf.
Gut für Herz und Hirn?
Omega-3-Fettsäuren gelten allgemein als gesund. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus Seefisch und verschiedenen Pflanzenölen werden im menschlichen Körper in Zellmembranen eingebaut und sind nötig für eine optimale Funktion, etwa im Gehirn und in den Blutgefäßen. Aufgrund dieser Erkenntnisse stellen viele Firmen Fischölkapseln oder andere Präparate mit Omega-3-Fettsäuren her. Vermarktet werden die Mittel vor allem als Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Nutzen nicht ausreichend belegt
Wirklich belegt ist aber nur, dass Präparate mit Fischöl dafür sorgen, dass der Anteil von Triglyzeriden – also Fetten mit gesättigten Fettsäuren – im Blut sinkt. Ob die Einnahme Arteriosklerose verhindert – das heißt, Ablagerungen in den Gefäßen – oder die Sterblichkeitsrate bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringert, ist nicht ausreichend nachgewiesen. Lediglich bei Patienten, die gerade einen Herzinfarkt überstanden haben, scheinen Fischölkapseln Erfolg zu versprechen. Regelmäßig erscheinen Studien zu weiteren Einsatzgebieten, etwa zum Schutz vor Koronarer Herzkrankheit oder Demenz – zuletzt jedoch immer mit negativem Ausgang. Auch dass sich die Präparate günstig auf die Gehirnfunktion oder das Lern- und Konzentrationsvermögen bei Kindern auswirken, ist nicht ausreichend belegt.
Schutz vor Brustkrebs bestenfalls gering
Chinesische Forscher haben sich nun an einer Gesamtschau sämtlicher Untersuchungen versucht, die sich mit einem möglichen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren und Brustkrebs beschäftigen. Die im „British Medical Journal“ erschienene Analyse umfasst Studien mit Daten zu 20.905 Brustkrebspatientinnen und 883.585 weiblichen Kontrollpersonen aus Europa, Asien und den USA. Demnach scheinen Omega-3-Fettsäuren aus Fisch dosisabhängig vor Brustkrebs zu schützen. Laut Analyse lässt sich das Brustkrebsrisiko so um bis zu 14 Prozent reduzieren. Um die Bedeutung dieser Zahl einschätzen zu können, muss man sie jedoch ins Verhältnis zu den Brustkrebsfällen setzen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 12 von 10.000 Frauen neu an Brustkrebs. Würden also 10.000 Frauen täglich eine hohe Dosis Fischöl einnehmen, bekämen statt 12 von 10.000 Frauen nur noch 10,3 von 10.000 Frauen Brustkrebs. Die Schutzwirkung ist also nicht besonders hoch – zudem hat die chinesische Auswertung einen Haken.
Analyse mit wenig Aussagekraft
Bei den Untersuchungen, die in die Analyse einflossen, handelt es sich nämlich um Beobachtungsstudien. Sie sind längst nicht so aussagekräftig wie Studien, bei denen Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip in Gruppen eingeteilt werden und dann unwissentlich Test- und Vergleichspräparate bekommen. Beobachtungsstudien betrachten lediglich, wie sich Gewohnheiten auf die Gesundheit auswirken – ob etwa Frauen, die aus eigenem Antrieb Fischölkapseln einnehmen, seltener an Brustkrebs erkranken als Frauen, die das nicht tun. Solche Untersuchungen eignen sich nicht, um einen kausalen Zusammenhang zu beweisen. Auch andere Faktoren könnten das Ergebnis beeinflussen und je nach Gruppe unterschiedlich sein. So leben Frauen, die aus freien Stücken Fischölkapseln nehmen, möglicherweise insgesamt besonders gesund. Beobachtungsstudien allein liefern also keine Gewissheit über den Nutzen einer Maßnahme.
Was ist mit frischem Fisch oder pflanzlichen Omega-3-Fettsäuren?
Und es gibt noch ein Problem. Der Studie zufolge senken nur Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl das Brustkrebsrisiko – nicht aber pflanzliche Omega-3-Fettsäuren oder der Verzehr von Fisch. Ein Widerspruch? Oder nicht vielleicht ein Zeichen, dass die Analyse den positiven Einfluss der Fischölkapseln überschätzt? Denn bekanntermaßen verschwinden Studien mit negativen Ergebnissen vergleichsweise oft in der Schublade, statt in Fachzeitschriften zu erscheinen. Ausgerechnet für die Fischölkapseln fanden die chinesischen Forscher aber einen Hinweis auf unveröffentlichte Studien. In einem solchen Fall wäre es wichtig, dieses Material auch wissenschaftlich auszuwerten. Doch offenbar haben die chinesischen Forscher gar nicht erst versucht, an die entsprechenden Informationen zu gelangen – etwa indem sie konkret bei den Herstellerfirmen nachfragen.
Fazit: Gesunder Lebensstil bringt mehr als Nahrungsergänzungsmittel
Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand lohnt sich eine Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren zum Schutz vor Brustkrebs nicht. Die aktuelle Analyse liefert lediglich Indizien, aber keine Beweise dafür, dass sie das Erkrankungsrisiko senken könnten. Selbst wenn es einen günstigen Effekt geben sollte, dürfte dieser vergleichsweise gering sein. Andere Vorbeugemaßnahmen sind deutlich sinnvoller.
Tipp: Essen Sie regelmäßig Lebensmittel mit Omega-3-Fettsäuren. Wichtige Quellen: ein bis zweimal pro Woche fetter Seefisch, etwa Hering, Lachs, Makrele, und/oder möglichst viel Raps-, Lein- und Walnussöl. Ebenfalls ergiebig: täglich ein paar Walnüsse. In der Regel lässt sich der Bedarf an Omega-3-Fettsäuren ganz ohne Pillen decken.
Ein Beitrag / Verbrauchertipp unserer/s Leserin/s Lara Convertini aus Bochum in Nordrhein-Westfalen.
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