Ab November 2013 wird es eine behördliche Schlichtungsstelle geben, an die sich Fluggäste bei Ärger mit ihrer Airline wenden können. Die Fluggesellschaften können sich aber auch der bereits bestehenden privaten Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp) anschließen. Als erste Fluggesellschaft hat das jetzt Ryanair getan.
Ryanair wird Mitglied bei Söp
Viele konnten es nicht glauben, als die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr „Söp“ Ende März verkündete: Die irische Billigairline ist in der Vergangenheit nicht als übertrieben kundenfreundlich und verhandlungsbereit in Erscheinung getreten, wenn Fluggäste ihre Rechte bei große Verspätungen oder Flugannullierungen geltend machten. Ryanair ist sogar die erste Airline, die Mitglied im Trägerverein der Söp wird. Bislang hat die Schlichtungsstelle vor allem Beschwerden von Bahnkunden bearbeitet. Vereinzelt hat sie auch für Kunden ausländischer Fluggesellschaften Schlichtungsverfahren erfolgreich durchgeführt. Ab sofort suchen die Juristen der Söp nun auch für Ryanair-Kunden nach einer außergerichtlichen Streitlösung. Voraussetzung: Der Kunde hat sich zuerst bei Ryanair beschwert und ist dort abgeblitzt.
Schlichtung für Kunden kostenfrei – aber unverbindlich
Das Schlichtungsverfahren bei der Söp ist für Fluggäste kostenlos. Eine Schlichtungsempfehlung ist jedoch sowohl für den Kunden als auch für die Airline unverbindlich. Das ist schade: In anderen Wirtschaftsbereichen – etwa bei den privaten Banken oder Versicherungen – gibt es etablierte Schlichtungsstellen, die bis zu bestimmten Euro-Beträgen verbindlich gegen das Unternehmen entscheiden können. Das ist bei der Söp bislang nicht der Fall. Nach Angaben der Söp wird der Vorschlag des Schlichters aber in knapp 90 Prozent der Fälle von beiden Seiten angenommen.
Schlichtungsverfahren für Fluggäste empfehlenswert
Dennoch ist eine Beschwerde bei der Söp für Fluggäste keine vertane Zeit. Denn die Airlines dürften ein finanzielles Eigeninteresse daran haben, dass sich ein Fall mit einer Schlichtungsempfehlung erledigt. Sie zahlen für jedes begonnene Verfahren eine Pauschale – auch wenn der Schlichter ihnen Recht gibt. Die Preise sind je nach Schwierigkeit des Falls gestaffelt. Oft zahlt eine Airline pro Schlichtungsverfahren um die 200 Euro. Und ignoriert sie am Ende eine Schlichtungsempfehlung zugunsten des Fluggastes, riskiert sie eine Klage des Kunden. Verliert die Fluggesellschaft dann vor Gericht, zahlt sie neben den Schlichtungsgebühren auch noch die Kosten des Rechtsstreits.
Verhandlungen mit Lufthansa, Air Berlin & Co.
Die deutschen Airlines wie Lufthansa, Air Berlin und Condor konnten sich bislang noch nicht aufraffen, Mitglied im Trägerverein der Söp zu werden. Söp-Geschäftsführer Heinz Klewe geht aber fest davon aus, dass sich noch im Laufe dieses Jahres weitere deutsche und ausländische Airlines beteiligen werden. Ab November wird es zudem eine behördliche Schlichtungsstelle geben. Das hat der Deutsche Bundestag beschlossen. Dorthin können sich ab November die Kunden bei Ärger mit Fluggesellschaften wenden, die sich zwischenzeitlich nicht einer privatrechtlich organisierten Schlichtungsstelle, wie der Söp, angeschlossen haben. Wer einen Schlichter sucht, muss in Zukunft also erst einmal klären, welche Stelle zuständig ist. Mitglied im Trägerverein der Söp zu werden, wäre für Lufthansa & Co. die günstigere Lösung: Nach aktuellem Stand kostet die behördliche Schlichtung pro Fall pauschal 290 Euro. Die Söp verlangt weniger. Womöglich war das auch für Ryanair der Grund, sich der Söp anzuschließen.
Behördliche Schlichtung bis zu 5.000 Euro
An welcher Adresse die behördliche Schlichtungsstelle zu erreichen sein wird, steht derzeit noch nicht fest. Allgemeine Punkte des Schlichtungsverfahrens sind aber im Gesetz festgeschrieben: Die Behörde kann bis zu Streitwerten in Höhe von 5.000 Euro Empfehlungen aussprechen (Söp: bis zu 30.000 Euro). Auch die behördliche Schlichtungsempfehlung wird für beide Seiten unverbindlich sein. Wie bei der Söp ist das Verfahren für Kunden kostenfrei.
Verjährung während der Schlichtung gehemmt
Den Ablauf einer Verjährungsfrist muss ein Fluggast in keinem Fall fürchten. Während eines Schlichtungsverfahrens bei der Söp ist die Verjährung nach Paragraf 11 der Verfahrensordnung gehemmt. Für die behördliche Schlichtung gilt ab November das gleiche nach Paragraf 204 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Entscheidet der Schlichter für den Fluggast und fühlt sich die Airline aber nicht an die Empfehlung gebunden, bleibt dem Kunden nur die Klage. Das gilt auch, wenn der Schlichter für die Fluggesellschaft entschieden hat und der Kunde sich doch im Recht sieht.
Anwalt oder Fluggasthelfer für den Gerichtsweg
Reisende, die nicht rechtsschutzversichert sind, haben bei einer verlorenen Klage gegen eine Airline die Anwalts- und Gerichtskosten zu zahlen. Dieses Risiko können Fluggäste ausschließen, indem sie Rechtsdienstleister wie Flightright, EUclaim oder Fairplane beim Einklagen ihrer Rechte einschalten. Diese Inkassodienste übernehmen aussichtsreiche Fälle von Kunden, denen eine Ausgleichszahlung von bis zu 600 Euro nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung wegen zum Beispiel einer großen Verspätung oder Annullierung zusteht. Zahlt die Fluggesellschaft trotz Mahnung nicht, klagen diese „Fluggasthelfer“ im Namen des Kunden. Sie arbeiten auf Erfolgsbasis: Gewinnt der Kunde, muss er bis zu 30 Prozent von seiner Ausgleichszahlung abgeben. Verliert er, trägt er keine Kosten. Allerdings kümmern sich die Fluggasthelfer nur ums Einklagen von Ausgleichszahlungen. Fordert ein Fluggast Ersatz für verloren gegangenes Gepäck oder durch eine Verspätung oder Annullierung notwendig gewordene Hotelübernachtungen, helfen sie nicht. Die Schlichtungsstellen hingegen bearbeiten auch solche Fälle.
Immer erst Schlichtungsstelle anrufen
Wenn sich eine Airline wie jetzt Ryanair an einer Schlichtung beteiligt, empfiehlt es sich für Kunden nach einer erfolglosen Beschwerde bei der Airline daher in der Regel, zuerst die Schlichtungsstelle anzurufen. Dadurch steigen die Chancen 100 Prozent einer Ausgleichszahlung zu erhalten. Erst wenn die Schlichtung nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat, sollten sie den Gang zum Anwalt oder Fluggasthelfer erwägen. Allerdings könnte eine gut funktionierende Schlichtungsstelle auch das Aus für Flightright, EUclaim und Fairplane bedeuten. Wenn die Schlichtungsstelle alle berechtigten Beschwerden von Fluggästen erfolgreich schlichtet, dürften kaum noch Fälle für die Dienste bleiben.
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